Dr. Martin Knorr
Dr. Martin Knorr wurde in der Kinderklinik des Universitätsklinikums Essen zum Kinder- und Jugendmediziner
ausgebildet.
Im Anschluss machte er eine Schwerpunktweiterbildung in Kinderhämatologie und -Onkologie. Dr.
Knorr ist Anfang 2015 in die Praxis Kids 4.0 eingestiegen.
Als Hobby - Fotograf lichtet er vorzugsweise seine
beiden Kinder ab.
Dr. Thomas Lamberti
Dr. Thomas Lamberti hat seine Facharztweiterbildung im Evangelischem Krankenhaus Oberhausen und im Marienhospital
Gelsenkirchen absolviert.
Seit 2007 ist er niedergelassener Kinderarzt in Dümpten und Mitbegründer der überörtlichen Gemeinschafspraxis Kids 4.0.
Dr. Lamberti hat zwei Kinder. In seiner Freizeit ist er begeisterter Geocacher.
Dr. Sven Hower
Dr. Sven Hower wurde in der Kinderklinik Bethanien Moers zum Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin ausgebildet.
Im Jahr 2002 hat er sich als Kinderarzt in Saarn niedergelassen und ist Mitbegründer der überörtlichen Gemeinschaftspraxis Kids 4.0.
Als passionierter Hobby-Imker pflegt er nach der Sprechstunde seine Bienenstöcke, wobei ihn seine drei Kinder unterstützen.
Dr. Martin Figura
Dr. Martin Figura absolvierte seine Facharztweiterbildung zum Kinder- und Jugendarzt in der DRK-Kinderklinik in Siegen und war anschließend
über mehrere Jahre in einer Duisburger Kinderklinik als Oberarzt tätig.
Seit 1998 ist er niedergelassener Kinderarzt in Mülheim und Mitbegründer der überörtlichen Gemeinschaftspraxis Kids 4.0.
Dr. Figura ist Vater von zwei Kindern. Seine freien Tage verbringt er gerne in seinem Ferienhaus in Holland.
Die Otitis media mit Erguss ist ein häufiges Problem der Kinder- und HNO-ärztlichen Praxis. Für eine nicht-chirurgische Intervention gibt es bisher keine gesicherten Behandlungsoptionen
in der Primärversorgung. Britische Autoren haben jetzt die Wirksamkeit eines Nasenballons in 43 Hausarztpraxen in Großbritannien untersucht.
Kinder (n=320) im Alter zwischen 4-11 Jahren mit einer kürzlich durchgemachten Mittelohrentzündung und mit einem durch Tympanometrie gesicherten Erguss in einem oder in beiden Ohren
wurden auf zwei Interventionsarme verteilt. Sie erhielten entweder eine Autoinflation mit einem Nasenballon über 1-3 Monate, dreimal täglich, oder eine normale Versorgung. Der Rückgang
des Paukenergusses wurde von geblindeten Experten erfasst.
Von den in die Studie aufgenommenen Kindern wiesen die mit einem Nasenballon therapierten Kinder, im Vergleich zu den Kontroll-Kindern mit normaler Betreuung, einen höheren Rückgang des
Paukenergusses nach einem Monat (47,3% versus 35,6%; OR 1,6) und nach 3 Monaten (49,6% versus 38,3%; OR 1,6) auf. Die Compliance mit dem Nasenballon betrug 89% nach einem Monat und 80%
nach 3 Monaten. Nebenwirkungen (Nasenbluten, Atemwegsinfektionen) waren mild und selten und zwischen den beiden Gruppen gleich.
Die Verwendung eines Nasenballons bei Kindern mit einer Otitis media mit Erguss im Alter zwischen 4-11 Jahren ist in der kinder- und hausärztlichen Praxis mit wenig Aufwand möglich und wirksam.
Williamson, I et al. Effect of nasal balloon autoinflation in children with otitis media with effusion in primary care: an open randomized controlled trial. CMAJ 2015 July 27
Kommentar:
Der Begriff Autoinflation bezieht sich auf das retrograde Öffnen der Tuba eustachii durch Aufblasen eines Ballons mit der Nase. Hierdurch wird der intranasale Druck erhöht. Dies soll der
gestörten Belüftung des Mittelohrs dienen. Von vielen Ärzten empfohlen, wurde dieses einfache, nebenwirkungsarme therapeutische Verfahren bisher kaum systematisch untersucht. Ein erster
Review wurde von Reipath et al. 1999 publiziert. Von 35 identifizierten Untersuchungen konnten nur 5 randomisierte Studien ausgewertet werden. Bei Zusammenfassung aller Studienergebnisse
betrug die Odds Ratio für die Autoinflation 1,85 (95% KI 1,22-2,8), wobei die Autoren weitere Studien wegen der vorhandenen Heterogenität zur Bestätigung ihrer Ergebnisse für notwendig
hielten.
In einer von Perera et al. durchgeführten Cochrane Analyse aus dem Jahre 2013 konnten 8 Studien mit 702 Studienteilnehmern ausgewertet werden. Die gepoolten zusammengesetzten
Ergebnisse aus Tympanogramm und/oder Audiometrie nach weniger als einem Monat wiesen auf einen positiven Trend hin, waren aber erst nach mehr einem Monat im Vergleich zur Kontrollgruppe
signifikant (RRI -relative risk of improvement- 1.74, 95% CI 1,22 bis 2,50). Eine Subgruppen-Analyse zeigte, dass die Wirksamkeit der Autoinflation auch von dem jeweils verwandten Gerät
abhing. Die vorangehenden Studien bestätigen die aktuellen Ergebnisse der Praxisstudie von Williamson et al.. Die für die Autoinflation in mehreren Studien gesicherten positiven
Ergebnisse lassen mit etwa 10% gesichertem klinischen Nutzen nur eine mäßige Wirksamkeit erkennen.
Gleiches gilt aber auch für andere Behandlungsmethoden. Van Zon et al. verglichen
in einer Cochrane Analyse die Gabe von Antibiotika mit Placebo und keiner Behandlung. Die größte Auswirkung auf die Rückbildung des Paukenergusses unter einer antibiotischen Therapie
zeigte sich bei Kindern, die kontinuierlich über 4 Wochen (Risikodifferenz (RD) 34%), 3 Monate (RD 32%) und über 6 Monate (RD 14%) behandelt wurden. Dabei müssen die Nebenwirkungen
der antibiotischen Therapie und ihr Einfluss auf die Resistenzentwicklung dem geringen Einfluss auf den Paukenerguss gegenüber gestellt werden. Nach Meinung der Autoren sprechen die
Ergebnisse nicht für die Behandlung des Paukenergusses mit einem Antibiotikum. Auch die Einlage von Paukenröhrchen scheint keinen großen langfristigen Einfluss zu besitzen. Die
kurzzeitige Hörverbesserung, die nach 6-9 Monaten kaum noch nachweisbar ist, wird mit häufig auftretenden Trommelfell-Veränderungen erkauft. Hong et al. konnten nach 5-jähriger
Beobachtung bei 27% der Kinder eine Trommelfellretraktion, bei 23,6% tympano-sklerotische Plaques und bei allen einen Abfall der Hörschwelle im Vergleich zu Kontrollkindern nachweisen.
Angesichts der von Yousaf et al. berichteten spontanen Rückbildung des Paukenergusses von 71,5% über eine Beobachtungszeit von 36 Monaten, dürfte es vielleicht doch vernünftig sein,
den normalen Verlauf des Paukenergusses erst einmal abzuwarten. Kindern können in dieser Zeit mit einem Nasenballon behandelt werden, um die Rückbildung des Ergusses zu beschleunigen.
Vielleicht könnte dabei ein Corticoid-Nasenspray die Rückbildung unterstützen. Es ist erstaunlich, dass in PubMed auf diese Frage keine Studie gefunden werden konnte.
Williamson, I et al. Effect of nasal balloon autoinflation in children with otitis media with effusion in primary care: an open randomized controlled trial.
CMAJ 2015 July 27
Reidpath, DD et al. Systematic review of autoinflation for treatment of glue ear in children. BMJ 1999, 318(7192): 1177
Perera, R et al. Autoinflation for hearing loss associated with otitis media with effusion. Cochrane Database Syst Rev. 2013, May 31; (5);10:CD006285
Browning, GG et al. Grommets (ventilation tubes) for hearing loss associated with otitis media with effusion in children. Cochrane Database Syst Rev. 2010, Oct 6; (10);10:CD001801
Hong, HR et al. Long-term follow-up of otitis media with effusion in children: Comparison between a ventilation tube group and a non-ventilation tube group. Int J Pediatr
Otorhinolaryngol 2014 Jun, 78(6): 938-943
Die Nahrung wird intuitiv als eine der wesentlichsten Determinanten des intestinalen Mikrobioms (früher als intestinale Darmflora, heute eher als Mikrobiom oder als Mikrobiota bezeichnet)
bei Kindern und Erwachsenen betrachtet. Durch die Interaktion zwischen dem Wirt Mensch, der Ernährung und den im Darm wohnenden, geschätzten kleiner 1 Billion Bakterien entstehen
Stoffwechselprodukte, die sich nicht nur auf den Darm, sondern weitere Organe des menschlichen Organismus auswirken.
Unsere Kenntnisse des intestinalen Mikrobioms und des ausbalancierten
symbiotischen Verhältnisses, des Cross-Talks zwischen Wirt und Mikroben und dessen Auswirkungen, sind immer noch begrenzt. Als Symbionten unterstützen die Darmbakterien die Extraktion der
Energie aus der Nahrung und schwächen Infektionen und Entzündungen ab. Sie sind darüber hinaus an einer Vielzahl weiterer Stoffwechselprozesse (Glucoseregulation, Adipositas) beteiligt.
Eine faserreiche, besonders an lösbaren Fasern reiche (präbiotische) Kost bietet dem Stoffwechsel viele Vorteile und scheint Entzündungen im Darm und an anderen Stellen entgegenzuwirken.
Schweizer Autoren haben jetzt in einem Maus-Tiermodell den Zusammenhang zwischen einer faserreichen Diät und der Entstehung allergischer Atemwegserkrankungen untersucht. Die Forschungsgruppe
hat Mäuse mit einer unterschiedlich faserreichen Diät (niedrig, normal, hoch) aufgezogen, die regelmäßig mit Hausstaub-Allergenen belastet wurden. Die fermentierbaren Fasern veränderten das
Verhältnis der Firmicutes zu den Bacterioidetes. Die Mäuse, die eine hohe Faser-Diät erhielten, produzierten die meisten kurzkettigen Fettsäuren im Darm (SCFA – short-chain fatty acids) mit
sich daraus ergebenden höheren Blutspiegeln. Besonders Clostridien waren an der Bildung von SCFAs beteiligt.
Die erhöhten Blut-SCFAs-Spiegel waren mit einem Abfall der Eosinophilen,
des IL-4 und -5 im Serum, des Gesamt-IgEs, des Bronchialschleims und der Hyperreagibilität der Atemwege verbunden. Die hohe Faser-Diät war mit einer höheren Zahl an Bakterien verbunden,
die lösbare Fasern zu SCFAs verdauen konnten, bei einer niedrigen Faser-Diät trat das Gegenteil ein und führte zu einer Zunahme von allergischen Atemwegserkrankungen. Die Autoren zeigen
mit ihren Untersuchungen, dass SCFAs die immunologische Umgebung der Lunge und damit auch das Ausmaß der allergischen Entzündung modulieren.
Trompette, A et al. Gut microbiota metabolism of dietary fiber influences airway disease and hematopoesis. Nat Med 2014 Feb; 20(2): 159-66
Die Prävention atopischer und allergischer Erkrankungen besitzt wegen ihres exponentiellen Anstiegs vor allem in den Industrieländern eine hohe Priorität. Als wichtige Präventions-Strategien
werden die vaginale Geburt, die Förderung des Stillens, der zurückhaltende Gebrauch von Antibiotika und die Vermeidung des Tabakrauches propagiert. Die Brustfütterung wird für 6 Monate empfohlen,
wobei die Beikost zwischen dem 4. und 6. Lebensmonat eingeführt werden kann.
Komplexe Oligosaccharide (Zuckermoleküle) in der Brustmilch unterstützen als Präbiotika die Entwicklung einer
Bifidus-Besiedlung im Darm der Neugeborenen. Diese stimulieren eine regulatorische T-Zellen-Antwort und eine Immuntoleranz. Es gibt bisher keine Hinweise, dass Eliminations-Diäten während
der Schwangerschaft einen Einfluss auf das spätere Atopie-Risiko besitzen. Teilweise oder extensiv hydrolisierte Formula-Milchen können die Atopie-Entwicklung im Säuglings- und
Kleinkindalter kurzfristig beeinflussen. Im Alter zwischen 4-6 Jahren ist aber kein verlässlicher Präventions-Effekt mehr nachweisbar. Soja oder Aminosäuren-Hydrolysate spielen ebenfalls
keine Rolle in der Prävention. Auch für die Wirksamkeit der perinatalen Supplementierung mit Prä- und/oder Probiotika konnte in den bisherigen Studien kein verlässlicher Einfluss auf die
Entstehung von Nahrungsmittel- oder Atemwegs-Allergien nachgewiesen werden.
Eine randomisierte Studie mit mütterlicher Fischöl-Supplementierung während der Schwangerschaft ergab einen
signifikanten Rückgang der atopischen Dermatitis und der Sensibilisierung gegen Eier im ersten Lebensjahr, aber keinen Präventionseffekt gegenüber Nahrungsmitteln. Die Rolle von Vitamin
D ist in diesem Zusammenhang unklar geblieben.
Heine, RG. Preventing atopy and allergic disease. Nestle Nutr Inst Workshop Ser, 2014; 78: 141-53
Die infantile hypertrophe Pylorusstenose (IHPS) ist der häufigste Grund für einen operativen Eingriff in den ersten Lebensmonaten, typischerweise zwischen der 3. und 12. Lebenswoche.
Die IHPS wird mit genetischen Faktoren, dem männlichen Geschlecht, der Familien-Vorgeschichte und Umgebungsfaktoren assoziiert. Makrolid-Antibiotika (MA) werden häufig bei der Behandlung
sexuell übertragbarer Krankheiten eingesetzt. Säuglinge, die in den ersten Lebenswochen ein MA erhalten, weisen ein erhöhtes Risiko für IHPS auf.
Es ist ungeklärt, ob die Gabe von MA
während der Schwangerschaft auch das kindliche IHPS-Risiko erhöht. Die Autoren haben in einem nationalen dänischen Register (1996-2011) nach einem möglichen Zusammenhang zwischen der Gabe
von Makrolid-Antibiotika (MA) während der Schwangerschaft, der Gabe von MA an Säuglinge während der ersten 120 Tage und der Inzidenz der infantilen hypertrophen Pylorusstenose (IHPS) gesucht.
Die Daten von 999.378 lebenden Einzelgeborenen wurden mit Informationen zu Makrolidverordnungen (Verordnungen während der Schwangerschaft, n=30.091; Verordnungen nach der Geburt, n=21.557;
Verordnungen an Säuglinge bis 120 Tage post partum, n=6591) und den Operations-Informationen zur IHPS verbunden. Ergebnisziele waren die Erfassung von drei Gruppen, die MA erhalten hatten:
Mütter während der Schwangerschaft, Mütter nach der Geburt und Säuglinge nach der Geburt.
Insgesamt entwickelten 880 Säuglinge eine IHPS (0,9 Fälle auf 1000 Geburten). Im Vergleich zu Kindern, die keine Makrolid-Antibiotika-Exposition hatten, betrug die Odds Ratio
(der Wahrscheinlichkeitsquotient) für eine IHPS bei Kindern mit Makrolid-Exposition in den 13 Tagen nach der Geburt 29,8 (95% KI 16,4-54,1) und in den Tagen 14-120 post partum 3,24
(95% KI 1,20-8,74). Die entsprechenden absoluten Risiko-Unterschiede betrugen jeweils 24,4 und 0,65 Fälle auf 1000 Säuglinge. Die entsprechende Odds Ratio für die mütterliche Makrolid-Exposition
von den Tagen 0-13 post partum betrug 3,49 (95% KI 1,92-6,34) und für die Tage 14-120 post partum 0,70 (95% KI 0,26-1,9). Die absoluten Risiko-Unterschiede betrugen 2,15 und -0,11. Die Odds Ratio
für die mütterliche Makrolid-Exposition während der Schwangerschaft für die Wochen 0-27 betrug 1,02 (95% KI 0,65-1,59), für die 28. Woche bis zur Geburt 1,77 (95% KI 0,95-3,31) bei absoluten
Risiko-Differenzen von 0,01 (95% KI -0,31-0,50) und 0,67 (95% KI -0,06-2,02).
Die Behandlung junger Säuglinge mit MA war in hohem Maße mit dem Auftreten einer IHPS assoziiert. Auch bei der mütterlichen MA-Exposition in den ersten Wochen nach der Geburt konnte eine Verbindung
zur IHPS nachgewiesen werden. Damit werden ältere Beobachtungen bestätigt. Ein Zusammenhang zwischen der MA-Gabe gegen Ende der Schwangerschaft und einer IHPS ist möglich, wenn dies auch mit
den vorliegenden Daten nicht gesichert werden kann. Ob eine absolute Risiko-Zunahme von 24,4 Fällen bei einer Gabe von MA in den ersten beiden Lebenswochen eine Kontraindikation darstellt,
dürfte von den zu behandelnden Erkrankungen abhängen. So sind zum Beispiel Azithromycin und Clarithromycin die einzigen, von der UK Health Protection Agency und der amerikanischen Centers for
Disease Control zur Prävention und Therapie bei Keuchhusten empfohlenen Substanzen.
Lund, M et al. Use of macrolides in mother and child and risk of infantile hypertrophic pyloric stenosis: nationwide cohort study.
BMJ 2014; 348: g1908
Morrison, W. Infantile hypertrophic pyloric stenosis in infants treated with azithromycin. Pediatr Infect Dis J 2007 Feb; 26(2):
186-8
Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Hypertrophic pyloric stenosis in infants following pertussis prophylaxis with erythromycin - Knoxville, Tennessee, 1999.
MMWR Morb Mortality Wkly Rep 1999 Dec; 48(49): 1117-20
Toxoplasma gondii, der Erreger der Toxoplasmose, gehört zu den Protozoen (Einzellern mit Zellkern im Gegensatz zu Bakterien) und tritt weltweit als einer der erfolgreichsten Parasiten auf.
Trotz seines obligaten intra-zellulären Lebensstils weist der Erreger eine überraschend große Übertragbarkeit auf. Er hat die meisten Säugetiere und Vögel infiziert. Vor allem Katzen sind
bei der Übertragung auf den Menschen häufig Zwischenwirte. Die Erreger können aber auch über die Nahrungskette, zum Beispiel über rohes Fleisch, rohe Milch und weitere mit
Toxoplasmose-Erregern kontaminierte Nahrungsmittel weitergegeben werden.
Die über eine mütterliche Infektion erworbene, kongenitale (angeborene) Toxoplasmose (KT) kann zu schweren
Erkrankungen unterschiedlicher Organsysteme, vor allem aber zu Schäden des Nervensystems und der Augen führen. Die meisten Kinder sind zum Zeitpunkt der Geburt asymptomatisch. Klinische
Symptome können jederzeit auftreten. Besonders häufig wird die Makula des Auges, der Ort des schärfsten Sehens, im Verlauf einer Chorioretinitis (Entzündung der Aderhaut und der Netzhaut)
befallen, was häufig zur Beeinträchtigung der Sehfähigkeit führt. Die Erreger der Toxoplasmose persistieren als eingekapselte Zysten auch nach einer Behandlung im menschlichen Körper,
wodurch wiederholte Erkrankungsschübe vor allem im Bereich der Augen ausgelöst werden können. Die Langzeit-Prognose der KT beruht bisher mehr auf Spekulation als auf belastbaren
Studienergebnissen.
Eine internationale Forschergruppe hat jetzt den Verlauf der okulären Toxoplasmose über einen Median von 10,5 Jahren an 477 Kindern mit einer KT verfolgt. Bei 142 Patienten (29,8%) trat
während der Beobachtungszeit eine okuläre Läsion auf. Bei 98 Patienten (69,0%) davon traten mehrere Läsionen nur auf einem Auge auf. Sie führten bei 80,6% aber nicht zum Sehverlust. Die meisten
Augenläsionen wurden erst spät im medianen Alter von 3,1 Jahren beobachtet. Bei 48 Kindern (33,8%) traten 12 Jahre nach der Erstläsion neue okuläre Läsionen auf. Nach 22 Jahren wurde bei 30% der
Patienten mit einer KT eine Chorioretinitis trotz prä- und postnataler Behandlung nachgewiesen.
Obwohl die Folgen einer pränatalen Toxoplasmose-Infektion meist nicht gravierend sind, besteht auch bei behandelten Kindern ein lebenslanges Rezidiv-Risiko. Vor allem eine regelmäßige augenärztliche
Untersuchung scheint deshalb empfehlenswert zu sein.
Sullivan, WJ, Jr and V. Jeffers. Mechanisms of Toxoplasma gondii persistence and latency. FEMS Microbiol Rev 2012, 36(3):
717-733 Wallon, M et al. Ophthalmic Outcomes of Congenital Toxoplasmosis Followed Until Adolescence. Pediatrics 2014, 133: e601-608
Wird die Beziehung zwischen körperlicher Aktivität und Gesundheit durch unsere Wahrnehmung beeinflusst? Das lässt jedenfalls eine Studie annehmen. Die Autoren untersuchten in ihrer Studie
84 bei der Zimmer-Reinigung eingesetzte Hotel-Mitarbeiterinnen von 7 unterschiedlichen Hotels. Die Mitarbeiterinnen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. In der informierten Gruppe wurden die
Probandinnen belehrt, dass ihre Arbeit (Reinigung der Hotelzimmer) den Anforderungen an einen gesunden Lebensstil, der sich durch eine ausreichende körperliche Aktivität auszeichnet, entspräche.
Den Probandinnen in der Kontrollgruppe wurde diese Information vorenthalten. Obwohl sich die Aufgaben nicht änderten, gaben die informierten Probandinnen nach 4 Wochen an, dass sie signifikant
körperlich aktiver seien als zuvor. Im Vergleich zur Kontrollgruppe wiesen die informierten Probandinnen nach 4 Wochen eine Gewichtsabnahme, eine Senkung des Blutdrucks, des Körperfetts und des
Body-Mass-Index auf. Die Autoren schließen aus ihrer Studie, dass die Wahrnehmung der körperlichen Aktivität einen Einfluss auf die Gesundheit besitzt und teilweise oder vielleicht sogar
ganz über einen Plazebo-Effekt gesteuert wird.
Crum, AJ, Langer, EJ. Mind-set matters: exercise and the placebo effect. Psychol Sci 2007 Feb, 18(2): 165-71
Der von dem griechischen Arzt George Papanicolao stammende und nach ihm benannte Test zur Früherkennung des Gebärmutterhalskrebses dürfte vielleicht bald überflüssig werden. Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat erstmals einen HPV-Gentest als Option zur primären Früherkennung des Gebärmutterhalskrebses zugelassen. Der Test konnte schon seit 2011 als Co-Test neben dem Pap-Test durchgeführt werden. Der Cobas HPV-Test erfasst neben den Genotypen HPV 16 und 18 die DNA von 12 weiteren Hochrisiko-HPV-Genotypen. Genitale HPV-Infektionen können nach Informationen des CDC (Centers for Disease Control and Prevention) durch mehr als 40 Viren verursacht werden. Nur etwa 14 Virustypen sind mit dem Gebärmutterhalskrebs assoziiert. Frauen, die positiv auf die Typen 16 und 18 reagieren, sollten den Gebärmutterhals kolposkopisch untersuchen lassen. Frauen, die auf einen der weiteren 12 HPV positiv sind, wird zusätzlich noch ein Pap-Test empfohlen, um die Notwendigkeit für eine Kolposkopie abzuklären. Die bisherigen Studien an mehr als 40.000 Frauen haben gezeigt, dass der HPV-Gen-Test wirksam und sicher ist
http://www.fda.gov/NewsEvents/Newsroom/PressAnnouncements/ucm394773.htm
Masern gehören zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten des Menschen. Die Erreger zählen zu den Myxoviren (genauer Paramyxoviridae), zu denen auch die Mumps- und Parainfluenza-Viren
gezählt werden. Die Masern-Erkrankungshäufigkeit in Deutschland ist nach Einführung der Masern-Impfung zurückgegangen. Die WHO (World Health Organization, Weltgesundheitsorganisation)
hat sich zum Ziel gesetzt, bis Ende 2015 die Masern weltweit zu eliminieren.
Als Voraussetzung einer erfolgreichen Masern-Elimination gilt eine dauerhafte Masern-Immunität bei wenigstens 95% der Bevölkerung. Wenn auch die Anzahl der Masern-Erkrankungen in Deutschland seit
Einführung der Meldepflicht im Jahre 2001 zurückgeht, ist die Masern-Inzidenz im Jahre 2013 in der Bundesrepublik kurzfristig auf 1721 gemeldete Fälle (21 Erkrankungen auf 1 Million Einwohner)
angestiegen. Dabei waren 39% der erkrankten Patienten über 20 Jahre alt. Die höchste altersspezifische Inzidenz betraf Kinder noch im ersten Lebensjahr und einjährige Kinder (84 Erkrankungen
und 97 Erkrankungen auf 1 Million). Die vom Robert Koch-Institut erhobenen Daten belegen, dass Ausbrüche in Deutschland auf eine zu hohe Zahl von nicht oder nicht vollständig geimpften Kindern,
Jugendlichen und Erwachsenen zurückgeführt werden müssen. Besonders bei den 10- bis 20jährigen scheint, eine unzureichende Immunität vorzuliegen.
Die endemischen Ausbrüche werden meist von
eingeschleppten Fällen und von der fehlenden Immunität einzelner Bevölkerungsgruppen verursacht. Die Gründe für nicht erfolgte Impfungen sind vielfältig. Nur 1% befragter Eltern lehnen eine Masern-
Impfung grundsätzlich ab. Die immer noch nicht ausreichende Durchimpfungsrate aller Bevölkerungsgruppen lässt das für 2015 von der WHO angestrebte Ziel, die Masern weltweit zu eliminieren,
zum jetzigen Zeitpunkt auch für Deutschland nicht erreichbar erscheinen. Nach Angaben der WHO sterben jeden Tag weltweit immer noch 330 Kinder an Masern. Wenn die Masern sich in Deutschland
auch nicht mehr epidemisch ausbreiten können, so treten etwa alle 2-3 Jahre wegen fehlenden Impfschutzes immer noch endemische Herde auf.
Nur verstärkte Impfbemühungen werden uns dem Ziel der Masern-Eradikation näher bringen, wenn es denn überhaupt erreichbar ist. Wir wissen von Mumpsinfektionen trotz zweifacher Impfung,
dass einzelne Genotypen nicht vom Impfstoff erfasst werden.
Ob dies auch für Masern-Erkrankungen trotz zweifacher Impfung gilt, ist noch nicht bekannt aber denkbar.
RKI. Aktuelle Epidemiologie und Impfquoten – Wer erkrankt in Deutschland an Masern? Epid Bull 2. Dez 2013, Nr 48
Gerade im Sommer werden in der Praxis immer wieder Patienten nach einem Stich durch Hymenoptera (Hymenoptera - Hautflügler) vorgestellt. Zu den Hymenoptera werden Bienen, Wespen und Hummeln
(neben weiteren) gezählt.
Fast alle Erwachsenen sind mindestens einmal im Leben von Bienen oder Wespen gestochen worden. Bei weniger als 7% der Betroffenen treten schwere systemische Reaktionen (SSR) auf. Dazu gehören
Urtikaria, Angio-Ödeme oder anaphylaktische Symptome. Bienenstiche können in seltenen Fällen auch zu neurologischen Symptomen führen. Erst kürzlich wurde über einen Bienenstich bei einem
6jähriges Mädchen berichtet, bei dem innerhalb von 3 Tagen nach dem Ereignis eine symmetrisch aufsteigende Lähmung mit einer motorischen axonalen Neuropathie beobachtet wurde.
Etwa ein Viertel der gestochenen Patienten entwickeln starke lokale Symptome ohne systemische Reaktionen. Spezifische Antikörper gegen Hymenoptera können aber bei 40% der Erwachsenen nachgewiesen
werden, was nahelegt, dass die meisten gegen das Hymenoptera-Venom sensibilisierten Patienten nicht systemisch auf Bienen- oder Wespenstiche reagieren. Eine Venom-Immuntherapie ist auch nur
bei systemischen Reaktionen und bei nachgewiesenen Venom-Antikörpern, nicht bei lokalen Reaktionen, indiziert.
Patienten oder Eltern betroffener Kinder mit ausgeprägten lokalen Reaktionen nach einem Bienen- oder Wespenstich sind besorgt, dass sie gegen Bienen- und Wespen-Stiche allergisch reagieren,
und bitten häufig um eine Test-Untersuchung.
Diese Sorge scheint in den meisten Fällen unbegründet zu sein. Lokale Reaktionen nach einem Stich kommen häufig vor, während systemische Reaktionen selten sind. In einer aktuellen Studie wurden an
94 Probanden, die nicht gegen Hymenoptera Venom sensibilisiert waren, im Humanexperiment Bienen- oder Wespenstiche herbeigeführt. Dabei wurden die klinischen und die immunologischen Reaktionen nach
3 Stunden, 1 Woche, 4 Wochen und einem Jahr erfasst. Bei 5 Probanden (5,3%) traten schwere systemische Reaktionen (SSR), bei 41% ausgeprägte lokale Reaktionen (ALR) auf. Im Vergleich zur
Allgemeinbevölkerung war das Risiko für eine ALR um das 9,5fache erhöht. Dies galt nicht für SSR. Bei 18 Patienten wurde ein erneuter Stich herbeigeführt; dabei zeigten 50% eine erneute ALR, aber
keine SSR. Obwohl die spezifischen IgE-Antikörper nach einem Stich anstiegen, war das Risiko für eine SSR gering. Die Autoren weisen darauf hin, dass es derzeit keine Möglichkeit gibt, zwischen
einer symptomatischen und asymptomatischen Sensibilisierung zu unterscheiden.
Sturm, GJ et al. Sensitization to Hymenoptera venoms is common, but systemic sting reactions are rare. J Allergy Clin Immunol 2014 Jun; 133(6):
1635-1643 Saini, AG et al. Acute axonal polyneuropathy following honey-bee sting: a case report. J Child Neurol 2014 Jay; 29(5): 674-6
Menschen mit einem Autismus-Spektrum-Syndrom besitzen eine eingeschränkte soziale Kommunikationsfähigkeit. Das musikalische Erlebnis fördert die emotionale Expression und die Kommunikation.
Es trifft den Kern der Störung bei Menschen, die unter einem Autismus leiden. Die Autoren untersuchten in ihrem Review den Nutzen der Musik-Therapie bei Personen mit einem Autismus-Spektrum-Syndrom.
Sie haben alle verfügbaren Quellen nach randomisierten und kontrollierten klinischen Studien durchsucht, in denen die Musik-Therapie mit einer Standard-Therapie oder einer Plazebo-Therapie
verglichen wurde.
Zehn Studien mit 165 Teilnehmern konnten in die Auswertung übernommen werden, in denen die kurzzeitige und mittelzeitige Auswirkung (eine Woche bis 7 Monate) der Musik-Therapie auf die
Autismus-Spektrum-Störung untersucht wurde. Im Hinblick auf die primären Ergebnisziele, auf die soziale Interaktion innerhalb und außerhalb des therapeutischen Kontextes und auf die verbale
Kommunikation war die Musik-Therapie der Plazebo-Therapie überlegen.
Die Ergebnisse beweisen den positiven Einfluss der Musik-Therapie auf die eingeschränkten Fähigkeiten der Patienten zur sozialen Interaktion. Sie bestätigen auch die Ergebnisse eines älteren
Reviews aus dem Jahre 2006. Unklarheiten bleiben noch darüber, wie lange die positiven Auswirkungen der Therapie anhalten? Zur wirksamen Übertragung der Musik-Therapie in die Praxis sollten,
so die Autoren, besonders ausgebildete Musik-Therapeuten eingesetzt werden.
Geretsegger, M et al. Music therapy for people with autism spectrum disorder. Cochrane Database Syst Rev 2014 Jun 17; 6:CD004381
Die Wirksamkeit eines abgeschwächten Lebendimpfstoffes gegen die Windpocken wurde in mehreren epidemiologischen Studien nachgewiesen. Eine einmalige Gabe des Windpocken-Impfstoffes verhindert
den Ausbruch der Erkrankung zu 70-90% und verhindert zu 95% eine schwere Erkrankung. Die Empfänger von 2 Impfdosen tragen ein noch geringes Erkrankungs-Risiko. Der über einen Zeitraum von
10 Jahren nach 2 Impfungen vorhandene Schutz dürfte bei etwa 98% liegen. Obwohl die Infektion bei den meisten Erkrankten mild verläuft, treten in etwa 1% Komplikationen in Form von
Encephalitiden, Pneumonien und bakteriellen Sekundärinfektionen auf, die meist eine Krankenhausaufnahme erfordern. Nicht alle Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind gegen Windpocken geschützt.
In der ärztlichen Praxis stellt sich die Frage: Wie wirksam ist die Impfung gegen Windpocken nach einer erfolgten Exposition (Post-Expositions-Prophylaxe PEP)?
In einem aktuellen Cochrane Review haben die Autoren versucht, hierauf eine Antwort zu finden.
Zu diesem Zweck suchten sie in der Literatur nach randomisierten Studien, in denen die PEP mit einer Plazebo-Prophylaxe verglichen wurde, um die Wirksamkeit der Impfung nach einer Exposition
zu erfassen.
Drei Studien mit 110 Geschwisterkindern aus Haushaltkontakten konnten identifiziert werden. Insgesamt erkrankten 13 von 56 Vakzine-Empfängern (23%) an Varizellen im Vergleich zu 42 von 54
Plazebo-Empfängern (78%). Die meisten Probanden erhielten die Prophylaxe innerhalb von drei Tagen nach erfolgter Exposition.
Die bisher vorliegenden Studien-Ergebnisse zeigen, dass eine Varizellen-Erkrankung bei ungeimpften Personen, die noch keine Windpocken-Erkrankung durchgemacht haben, in den meisten Fällen
verhindert werden kann, wenn die Betroffenen innerhalb von drei Tagen nachgeimpft werden. Ob eine Impfung nach mehr als drei Tagen noch wirksam ist, kann auf Grund der wenigen berichteten
Fälle nicht beurteilt werden. Für die Praxis ist es wichtig zu wissen, dass nach der post-expositionellen Impfung keine Nebenwirkungen beobachtet werden konnten.
Macartney, K et al. Vaccines for post-exposure prophylaxis against varicella (chickenpox) in children and adults (Review). Cochrane Database Syst Rev 2014 Jun 23; 6: CD007768 (epub ahead of print)
Sprunggelenksdistorsionen (SGD) gehören zu den häufigsten Sportverletzungen und sind mit einer hohen Rezidivquote und hohen Kosten belastet. In bisherigen Studien wurde die Wirksamkeit von
neuromuskulärem Training und Schienen gegen wiederholt auftretende SGD untersucht. Jetzt haben die Autoren in einer drei-armigen randomisierten Studie mit 340 Teilnehmern (157 männlich,
183 weiblich, Alter zwischen 12-70 Jahre), die bis zu 2 Monaten vor Aufnahme in die Studie eine laterale SGD erlitten hatten, die Wirksamkeit des neuromuskulären Trainings (n=107),
die Wirksamkeit einer Schiene (n=113) und die Wirksamkeit des neuromuskulären Trainings und der Schienung erneut untersucht.
Die neuromuskuläre Trainingsgruppe führte über 8 Wochen ein
häusliches Übungsprogramm durch. Die Teilnehmer der Schienen-Gruppe erhielten eine halbfeste Sprunggelenksschiene, die im Rahmen sportlicher Aktivitäten über einen Zeitraum von 12 Monaten
getragen werden sollte. Die aus beiden Maßnahmen kombinierte Gruppe erhielt beide Interventionen, wobei die Schiene nur über 8 Wochen bei allen sportlichen Aktivitäten getragen werden sollte.
Über einen einjährigen Beobachtungszeitraum wurden das Wiederauftreten von SGD und die anfallenden Kosten beobachtet. Bei Studienbeginn bestanden keine Unterschiede in den einzelnen Gruppen
hinsichtlich Alter, Geschlecht, Teilnahme am Sport oder vorherige Verletzungen.
Im Ergebnis zeigte sich, dass der Gebrauch einer Schiene die beste und kostengünstigste Präventionsmaßnahme zur Vermeidung einer rezidivierenden SGD war.
Janssen, KW et al. The Cost Effectiveness of Measures to Prevent Recurrent Ankle Sprains: Results of a 3-Arm Randomized Controlled Trial. Am J Sports Med 2014 Apr 21 (epub ahead of print)
In einer Vielzahl von Studien konnte nachgewiesen werden, dass Vernachlässigung und Misshandlung im Kindesalter Spuren hinterlassen, die sich auf das spätere Leben, möglicherweise auch
auf die nachfolgende Generation, auswirken können. Die durch Stress bewirkten genomischen Veränderungen werden mit affektiven Störungen und einer veränderten Programmierung der
Glucocorticoid-Rezeptoren der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHNA) assoziiert. Veränderungen in der epigenetischen Programmierung der HHNA können zu psychiatrischen
Erkrankungen, wie Angststörungen und Depressionen, führen. Bei der epigenetischen DNA-Methylierung wird an Cytosin-Phosphat-Guanin-Dinukleide (CpGs) eine Methylgruppe angehängt.
Dies führt in den entsprechenden Gen-Regionen zu einer verminderten Gen-Expression.
Während das Genom nach der Bildung der befruchteten Eizelle sich nicht mehr verändert, wird das Epigenom als variable, von Umwelteinflüssen abhängige Struktur betrachtet. Im Rattenversuch
konnte gezeigt werden, dass mütterliches Verhalten die Expression der GR steuert. Fehlendes mütterliches Verhalten führt im Rattenexperiment zum Stress der Neugeborenen und zu einer
verstärkten Methylierung des Glucocorticoid-Rezeptor(GR)-Gens (NR3C1), einer Reduktion der GR im Hippocampus und einem damit verbundenen reduzierten Sozialverhalten (grooming and licking),
welches auch an die nachfolgende Generation weitergegeben wird.
McGowan et al. konnten zeigen, dass die tierexperimentellen Ergebnisse, die Ausschaltung der GR-Expression im cortico-limbischen Gehirn und die daraus resultierende erhöhte HHNA-Aktivität,
auch auf den Menschen übertragen werden können. Die Autoren wiesen post mortem epigenetische Unterschiede in der Methylierung der GR zwischen den Gehirnen mit einer Missbrauchsvorgeschichte
und solchen ohne Missbrauchsvorgeschichte nach. Das hypophysär ausgeschüttete ACTH (adreno-corticale Hormon) spiegelt die zentrale Aktivierung bei Stress wider. Der GR im Hippocampus dämpft
die Aktivität der HHNA. Die Art der postnatalen elterlichen Betreuung beeinflusst die epigenetische Regulation des GR im Hippocampus.
Spielen auch bei heranwachsenden Jugendlichen Stress-Erlebnisse (stressful life events -SLE-) eine Rolle bei der Methylierung des NR3C1-Gens?
Van der Knaap et al. haben die Methylierung des GR-Rezeptors bei 488 Teenagern aus der longitudinal durchgeführten Trail-Studie (mittleres Alter 16 Jahre; 50% weiblich) an drei Stellen
des NR3C1-Gens untersucht. Die Methylierung des NR3C1-Gens war bei den Jugendlichen mit einem Trauma-Erlebnis (körperlicher oder sexueller Missbrauch, Trennung der Eltern) im
Adoleszentenalter signifikant höher als bei den Probanden ohne Trauma-Erlebnis. Sie lag sogar über der Methylierungsrate für perinatale oder kindliche SLEs (stressful life events).
Nicht nur im frühen Kindesalter, auch im jugendlichen Alter beeinflusst Stress das "Methylierungs-Make-up" des Gehirns.
McGowan, PO et al. Epigenetic regulation of the glucocorticoid receptor in human brain associates with childhood abuse with childhood abuse. Nat Neurosci 2009 March; 12(3):
342-348 Van der Knaap, LJ et al. Glucocorticoid receptor gene (NR3C1) methylation following stressful life events between birth and adolescence. Transl Psychiatry 2014; 4: e381
In experimentellen Studien konnte an Säugetieren gezeigt werden, dass eine Narkose im frühen Kindesalter das Erinnerungsvermögen beeinflusst. Es ist unklar, ob diese Beobachtungen auch für
menschliche Säuglinge und Kleinkinder gelten. Ein erfolgreiches Erinnern hängt von der Familiarität des Stimulus oder den Details der Erinnerung ab. Einige mit der Erinnerung
zusammenhängenden Hirnstrukturen werden durch eine Narkose im Tierversuch geschädigt.
Die Autoren haben die Hypothese geprüft, ob eine Narkose im Alter von 6-11 Monaten bei menschlichen Säuglingen das Gedächtnis beeinflusst. Achtundzwanzig Säuglinge, die eine Allgemeinnarkose
erhalten hatten, wurden mit gleichaltrigen Säuglingen, die keine Allgemeinnarkose erhalten hatten, verglichen. Das Erinnerungsvermögen und die Vertrautheit wurden in einem Objekt-Erkennungstest
geprüft. Zusätzlich wurden der IQ und das kindliche Verhalten mit der Child Behavior Checklist gemessen.
Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder, die im Alter von 6-11 Monaten eine Narkose erhalten hatten, sich schlechter erinnern können.
Die Untersuchungs-Ergebnisse werden in einer weiteren Studie von Yan et al. bestätigt, in der nachgewiesen wurde, dass 3 oder mehr Ketamin-Narkosen die neurologische Entwicklung
negativ beeinflussen.
Die Reifung des menschlichen Gehirns zieht sich über viele Jahre. Die größte Entwicklungs-Aktivität wird in den ersten 2-3 Lebensjahren beobachtet (Myelinisierung und Synapsenbildung).
Im Tierversuch konnten in einem vergleichbaren Zeitfenster neuro-degenerative Veränderungen nach einer Narkose beobachtet werden. Wenn auch die Übertragung dieser Ergebnisse auf den Menschen
nicht ohne weiteres vorgenommen werden darf und der endgültige Beweis für eine durch eine Narkose bedingte Hirnschädigung im Säuglingsalter noch aussteht, dürfte es bereits jetzt im
kindlichen Interesse sein, nicht notwendige Eingriffe unter Narkose bei Säuglingen möglichst weit hinauszuschieben.
Stratmann, G et al. Effect of General Anesthesia in Infancy on Long-Term Recognition Memory in Humans and Rats. Nuropsychopharmacology 2014 Jun 9 (epub ahead of print)
Yan, J et al. Repeated Exposure to Anesthetic Ketamine Can Negatively Impact Neurodevelopment in Infants: A Prospective Preliminary Clinical Study. J Child Neurol 2014 Mar 20
(epub ahead of print)
Bartkowska-Śniatkowska, A et al. Do we really know the pharmacodynamics of anaestetics used in newborns, infants and children? A review of the experimental and clinical data on
neurodegeneration. Anaesthesiol Intensive Ther 2014 Apr-Jun; 46(2):101-8
Der Einfluss des aufgenommenen Proteins scheint, das Brustkrebs-Risiko zu beeinflussen. Eine hohe Protein-Aufnahme erhöht den Insulin-like Growth Factor (IGF1), der eine Rolle beim
Gewebewachstum, der Gewebeproliferation und dem Tumorwachstum spielt. Die unterschiedlichen in der Nahrung enthaltenen Proteine besitzen möglicherweise, so die Hypothese, einen
unterschiedlichen Einfluss auf das Brustkrebs-Risiko. Dies konnte bisher allerdings noch nicht bewiesen werden.
Amerikanische Autoren haben jetzt in einer prospektiven Kohorten-Studie 88.803 Teilnehmerinnen der Nurses' Health Study II vor der Menopause untersucht, die 1991 einen Fragebogen
ausgefüllt hatten. Ergebnisziel war die Erfassung von invasiven Brustkrebs-Karzinomen, die von den Teilnehmerinnen selbst berichtet und durch Pathologen bestätigt worden waren.
Die Autoren erfassten 2.830 Brustkrebs-Erkrankungen im Verlauf der 20jährigen Beobachtungszeit. Ein höherer Konsum von rotem Fleisch war mit einem um den Faktor 1,22 erhöhten Brustkrebs-Risiko
verbunden. Zwischen dem Konsum von Geflügel, Fisch, Eiern, Gemüse und Nüssen konnte keine Verbindung zum Brustkrebs-Risiko hergestellt werden. Bei Austausch einer Portion roten Fleisches
pro Tag gegen Gemüse sank das allgemeine Brustkrebs-Risiko um 15%, bei Austausch gegen Geflügel um 17%. Das gesamte post-menopausale Brustkrebs-Risiko sank dann sogar um 24%.
Die Autoren schließen aus ihrer Studie, dass ein höherer Konsum von rotem Fleisch im frühen Erwachsenenalter das Brustkrebs-Risiko erhöht. Der Austausch von rotem Fleisch gegen Geflügel,
Gemüse, Fisch und Nüsse senkt das Brustkrebs-Risiko.
Die Schlussfolgerungen der Autoren werden in anderen Studien, in denen dieser Zusammenhang ebenfalls untersucht wurde, nicht bestätigt. Missmer et al. fanden in einer gepoolten Analyse von
20 Studien weder für die Fleischaufnahme noch für die Aufnahme von Milchprodukten einen signifikanten Zusammenhang zum Brustkrebs-Risiko. Diese Ergebnisse werden in einer aktuelleren Meta-Analyse
von Alexander et al. bestätigt. Auch in der Nurses' Health Study, in der 88.647 Frauen über 18 Jahre begleitet wurden, konnte kein Zusammenhang zwischen dem Fleisch- oder Fischkonsum für
das Brustkrebs-Risiko im mittleren Lebensalter nachgewiesen werden. Die Frage, ob wirklich ein Zusammenhang zwischen dem Konsum von rotem Fleisch und Brustkrebs besteht, bleibt weiterhin ungeklärt.
Farvid, SM et al. Dietary protein sources in early adulthood and breast cancer incidence: prospective cohort study. BMJ 2014 Jun 10;
348: g3437
Alexander, DD et al. A review and meta-analysis of red and processed meat consumption and breast cancer. Nutr Res Rev 2010 Dec; 23(2): 349-65
Missmer, SA et al. Meat and diairy food consumption and breast cancer: a pooled analysis of cohort studies. Int J Epidemiol 2002; 31(1): 78-75
Holmes, MD et al. Meat, fish and egg intake and risk of breast cancer. Int J Cancer Mar 20: 104(2): 221-227
Intensive körperliche Aktivität scheint, neben der Ernährung einen Einfluss auf die mikrobielle Diversität (Mikrobiom) des Magen-Darmtraktes bei Elite-Athleten auszuüben. Die Höhe des
Einflusses ist unklar. Die Autoren haben deshalb das Mikrobiom von 40 professionellen irischen Rugby-Spielern mit dem von Kontroll-Probanden verglichen.
Alle Studienteilnehmer mussten einen Nahrungs-Fragebogen ausfüllen. Ihre Stuhlproben wurden mit der 16S-rRNA-Amplicon-Sequenzierungsmethode untersucht.
Wie erwartet, unterschieden sich die Athleten und die Kontroll-Probanden signifikant im Hinblick auf die Plasma-Kreatin-Kinase als Marker für die körperliche Aktivität und im Hinblick
auf inflammatorische und metabolische Marker. Die Diversität des Mikrobioms war bei den Athleten signifikant größer als bei den Kontroll-Probanden. In ihrem Mikrobiom konnten 22
unterschiedliche Phyla (Stämme) nachgewiesen werden. Ihre Protein-Aufnahme war signifikant mit der Höhe der im Serum gemessenen Kreatin-Kinase (Muskelenzym) und der größeren Biodiversität
des Mikrobioms korreliert.
Die Ergebnisse zeigen, dass körperliche Aktivitäten neben der Diät eine Rolle bei der Diversität des menschlichen Mikrobioms und damit bei der komplexen Interaktion zwischen Mensch und
Mikrobiom spielen.
Clarke, SF et al. Exercise and associated dietary extremes impact on gut microbial diversity. Gut 2014 June 9 (epub ahead of print)
Medikamente dienen neben anderen therapeutischen Maßnahmen der Behandlung gesundheitlicher Probleme. Nicht alle Patienten nehmen ihre Medikamente so ein, wie sie ihnen verordnet wurden.
Sie gefährden damit möglicherweise ihre Genesung. Die Gründe für die mangelnde Compliance sind vielfältig. Eine fehlende Aufklärung zu den verordneten Medikamenten und ihren Nebenwirkungen,
Vergesslichkeit und eine fehlende Übersicht, wenn mehrere Medikamente eingenommen werden müssen, gehören zu den wichtigsten Gründen.
Welche Möglichkeiten gibt es, Patienten bei der Einnahme von Medikamenten zu unterstützen? Viele Studien haben sich bisher mit der Antwort auf diese Frage beschäftigt, ohne zu einem
eindeutigen Ergebnis gelangt zu sein.
Die Autoren der aktuellen Cochrane-Analyse haben versucht, eine Synthese der vorhandenen Evidenz durchzuführen. Damit soll das Wissen über den wirksamen und sicheren Gebrauch von
Arzneimitteln, unabhängig von der Art der Erkrankung, der verwandten Medikation, der untersuchten Bevölkerung und ihres Umfeldes, für die Entscheidungen in der Praxis nutzbar gemacht werden.
In die Analyse wurden die Ergebnisse von 75 systematischen Übersichten (Reviews) aufgenommen und die Studien-Ergebnisse ausgewertet.
Zu den erfolgreichsten Strategien gehören (wie vielleicht auch zu erwarten) Selbst-Management und einfache Dosierungs-Anleitungen. Andere Strategien, wie das verzögerte Verschreiben von
Antibiotika und praktische Hilfen (z.B. durch entsprechende Verpackungen oder Erinnerungen), wie Informationen zu den eingenommenen Arzneimitteln, haben zu unterschiedlichen Ergebnissen
geführt. Insgesamt ist die Wirksamkeit der jeweiligen einzelnen Maßnahmen über das Spektrum vieler Erkrankungen und unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen (jung, alt, krank, chronisch
krank, multimorbide) nicht gesichert. Wir besitzen zwar Anhaltspunkte über das, was wirken könnte, aber noch keine eindeutigen Ergebnisse, die für alle Patienten gelten.
Vielleicht gibt es auch keine für alle gleich wirksame Lösung. Möglicherweise muss je nach Erkrankungsfall nach der besten Strategie gesucht werden.
Ryan, R et al. Interventions to improve safe and effective medicines use by consumers: an overview of systematic reviews (Review). Cochrane Database Syst Rev 2014 Apr 29; 4: CD007768
Eine Ehescheidung gehört mit zu den größten Stressfaktoren im Leben eines jeden Menschen. Sie führt meist zu emotionalen, ökonomischen und physischen Folgen. Führt die Ehescheidung vielleicht auch eher
zu einem Herzinfarkt?
Die Autoren verfolgten und analysierten in einer prospektiven Studie in zweijährigen Abständen die Daten von 15.827 Menschen im Alter zwischen 45 bis 80 Jahren, die wenigstens einmal verheiratet waren.
Etwa 14% der Männer und 19% der Frauen waren zu Studienbeginn geschieden, mehr als ein Drittel der Kohorte hatten mehr als eine Scheidung hinter sich. Die Infarktrate war bei denen, die kontinuierlich
verheiratetet waren, geringer als bei denen, die geschieden worden waren.
Das Infarktrisiko war bei Frauen um das 1,24fache höher, wenn sie einmal und 1,7fach höher, wenn sie zweimal oder mehrmals geschieden
worden waren. Bei Männern war das Risiko um das 1,3fache erhöht, wenn sie zweimal oder mehrmals geschieden worden waren. Bei Männern, die wieder geheiratet hatten, war das Infarktrisko im Vergleich zu
kontinuierlich verheirateten Männern nicht erhöht.
Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass die Ehescheidung ein signifikanter Risikofaktor für das Auftreten eines Herzinfarktes ist. Das erhöhte Infarkt-Risiko betrifft besonders mehrfach
geschiedene Frauen. Bei ihnen normalisiert sich auch bei einer Wiederheirat, im Gegensatz zu Männern, das Infarkt-Risiko nicht.
Dupre, ME et al. Association Between Divorce and Risks for Acute Myocardial Infarction. Circoutcomes 2015 114.001291 (epub April 14)
Kommentar:
Es gibt mehrere Faktoren, die sich negativ auf den Zusammenhalt einer Ehe auswirken. Dazu gehören vor allem finanzieller Stress und psychische Störungen. Psychische Störungen eines Partners beeinträchtigen
die Fähigkeit, eine eheliche Gemeinschaft aufrecht zu erhalten, und führen meist auch noch zum sozio-ökonomischen Abstieg. Die Ergebnisse mehrerer Studien zeigen, dass diese Faktoren das Scheidungsrisiko
erhöhen. Trennung und Scheidung führen zu einer etwa um 23% höheren Mortalitätsrate. Diese Erkenntnisse lassen den von Dupre et al. ermittelten Zusammenhang zwischen der Scheidungsrate und dem Herzinfarkt-Risiko
als Surrogat-Marker psychischer Belastungen plausibel erscheinen.
Dupre, ME et al. Association Between Divorce and Risks for Acute Myocardial Infarction. Circoutcomes 2015 114.001291 (epub April 14)
Idstad, M et al. Mental distress predicts divorce over 16 years: the HUNT study. BMC Public Health 2015, 15: 320
Sbarra, DA. Divorce and health: current trends and future directions. Psychosom Med 2015 Apr, 77(3): 227-236
Wann sollte mit der Prävention kardio-vaskulärer Erkrankungen begonnen werden? So früh wie möglich? Die Forschungen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass die Voraussetzungen für die kardio-vaskuläre
Gesundheit im Erwachsenenalter im Kindes- und Jugendalter gelegt werden. Modifizierbare Risikofaktoren im Kindes- und Jugendalter, wie zum Beispiel Bewegungsmangel, hoher Blutdruck, aktives und passives
Rauchen, geringe kardio-respiratorische Fitness und Ernährung, sind präklinische Marker für eine spätere kardio-vaskuläre Erkrankung.
Niedrige Vitamin D-Spiegel werden im Erwachsenenalter nicht nur mit einem erhöhten, sondern auch mit dem Ausmaß des kardio-vaskulären Risikos verbunden. Jetzt haben finnische Untersucher Daten zu einem
möglich Zusammenhang zwischen dem kindlichen 25-(OH)-Vitamin D-Spiegel und der Intima-Media-Dicke der Arteria Carotis (CIMD) im Erwachsenenalter untersucht (The Cardiovascular Risk in Young Finns Study).
Die CIMD dient allgemein als Surrogat-Marker des kardio-vaskulären Risikos.
Die Autoren haben die Daten von 2.148 Probanden, die zu Studienbeginn zwischen 3-18 Jahre alt waren, analysiert. Im Alter zwischen 30-45 Jahren wurden die Studienteilnehmer erneut untersucht.
Zu diesem Zeitpunkt wurde in den im Kindesalter eingefrorenen Serumproben der Vitamin D-Serumspiegel bestimmt. Die CIMD wurde an der hinteren Wand mit Ultraschall gemessen.
Die Auswertung der Daten zeigte einen kontinuierlichen, umgekehrten, signifikanten Zusammenhang zwischen dem kindlichen Vitamin D-Spiegel und der im Erwachsenenalter gemessenen CIMD bei Frauen, nicht bei
Männern. Insgesamt wiesen aber Kinder mit 25-(OH)-Vitamin D-Spiegeln in der niedrigsten Quartile (kleiner 40 nmol/L, entsprechend kleiner 16 ng/ml) eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine erhöhte CIM
und arteriosklerotische Gefäßveränderungen im Erwachsenenalter auf.
Schlussfolgerungen: Niedrige 25-(OH)-Vitamin D-Spiegel im Kindesalter sind mit einer erhöhten CIMD im Erwachsenenalter verbunden.
Juonala, M et al. Childhood 25-OH Vitamin D Levels and Carotid Intima-Media Thickness in Adulthood: The Cardiovascular Risk in Young Finns Study. J Clin Encocrinol Metab 2015 Feb, 10: jc20143944
Kommentar:
Eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst bereits im Kindesalter das spätere kardio-vaskuläre Krankheitsrisiko. Vitamin D-Mangel scheint, einer der Risikofaktoren zu sein, die auf die spätere kardio-vaskuläre
Gesundheit Einfluss nehmen. Vitamin D-Mangel im Kindesalter ist, wie die epidemiologischen Daten zeigen, mit einem erhöhten späteren Arteriosklerose-Risiko verbunden. Diese Assoziation ist unabhängig
von konventionellen kardialen Risikofaktoren wie Lipide, Blutdruck, Rauchen, Diät, körperlicher Aktivität, Adipositas und sozio-ökonomischem Status. Das spätere kardio-vaskuläre Risiko mag einer von vielen
Gründen sein, bereits im Kindesalter auf eine ausreichende Vitamin D-Versorgung zu achten. Mit der Prävention kardio-vaskulärer Erkrankungen kann nicht früh genug begonnen werden.
Verdoia, M et al. Vitamin D deficiency is independently associated with the extent of coronary artery disease. Eur J Clin Invest 2014 Jul, 44(7):
634-642 Juonala, M et al. Childhood 25-OH Vitamin D Levels and Carotid Intima-Media Thickness in Adulthood: The Cardiovascular Risk in Young Finns Study. J Clin Encocrinol Metab 2015 Feb, 10: jc20143944
Spinale Schmerzen im Nacken- und Lumbalbereich gehören neben der Osteoarthritis des Hüft- und Kniegelenkes zu den häufigsten Gründen für eine Bewegungseinschränkung. Die Verordnung schmerzhemmender
Medikamente ist die häufigste therapeutische Strategie. Trotz bisher fehlender Evidenz wird zur Schmerzbehandlung in Patientenleitlinien an erster Stelle die Gabe von Paracetamol empfohlen. Die
Studienautoren haben jetzt erneut nach der vorhandenen aktuellen Evidenz gesucht.
Hierzu wurden Datenbanken nach entsprechenden Studien, die Wirksamkeit und Sicherheit von Paracetamol mit einem Plazebo verglichen hatten, durchsucht. Randomisierte, kontrollierte Studien wurden in
die Auswertung übernommen. Zwei Reviewer extrahierten unabhängig voneinander die Daten zu Schmerz, Bewegungseinschränkungen und Lebensqualität.
Dreizehn randomisierte Studien konnten ausgewertet werden. Dabei zeigte sich, dass Paracetamol bei der kurzfristigen Minderung der Schmerzintensität, der Bewegungseinschränkung und der Lebensqualität
bei Rückenschmerzen wenig wirksam war. Bei der Osteoarthritis des Hüft- und Kniegelenkes zeigte sich eine signifikante, aber klinisch nur leichte Besserung des Schmerzes und der Bewegung. Die gleiche Anzahl
der Studienteilnehmer in der Interventions- und Plazebo-Gruppe berichtete über Therapie-Nebenwirkungen. Die Patienten, die Paracetamol erhielten, wiesen aber im Vergleich etwa 4mal häufiger abnorme
Leberfunktionsteste auf. Welche klinische Bedeutung dieser Befund hat, konnte nicht geklärt werden.
Schlussfolgerungen: Paracetamol ist bei Rückenschmerzen nicht wirksam und weist bei der Osteoarthritis des Hüft- und Kniegelenkes nur einen minimalen und kurzfristigen Nutzen auf.
Machado, GC et al. Efficacy and safety of paracetamol for spinal pain and osteoarthritis: systematic review and meta-analysis of randomised placebo controlled trials. BMJ 2014; 350:h1225
Kommentar:
Die zusammengefassten Daten scheinen, die wissenschaftliche Streitfrage nach der Wirksamkeit von Paracetamol bei Rücken-, Hüft- und Knieschmerzen endgültig zu klären. Bei Rückenschmerzen ist Paracetamol
unwirksam. Bei der Hüft- und Knie-Osteoarthritis lässt sich auf einer Schmerzskala, die von 0-100 reicht, ein Unterschied von kleiner 4 Punkten nachweisen, was weder für die behandelnden Ärzte und erst recht
nicht für die Patienten von Bedeutung sein dürfte. Mit einer in Australien durchgeführten Doppelblind-Studie, an der 235 Hausarztpraxen mit 1103 Patienten teilnahmen, 550 in der Paracetamol- und 546 in der
Plazebo-Gruppe konnten ausgewertet werden, konnte kein Unterschied in der Zeit bis zur Schmerzfreiheit nachgewiesen werden.
Dies war unabhängig davon, ob Paracetamol nach Bedarf oder regelmäßig
(bis zu 4000 mg/Tag) dosiert wurde. Beide Gruppen unterschieden sich zu keinem Zeitpunkt der Nachuntersuchungen voneinander. Auch diese Autoren stellen die in vielen Leitlinien noch vorhandenen
Paracetamol-Empfehlungen bei Rückenschmerzen in Frage. Nach 3 Monaten waren etwa 85% der Patienten in beiden Gruppen beschwerdefrei.
Machado, GC et al. Efficacy and safety of paracetamol for spinal pain and osteoarthritis: systematic review and meta-analysis of randomised placebo controlled trials. BMJ 2014;
350:h1225 Williams, CM et al. Efficacy of paracetamol for acute low-back pain: a double-blind, randomised controlled trial. Lancet 2014 Nov 1, 384(9954): 1586-1596
Cephalosporine werden im Kindes- und Erwachsenenalter häufig verordnet. Wie häufig kommt es unter der Therapie zu leichten oder schweren Arzneimittel-Nebenwirkungen? Da hierüber nur unzureichende
Informationen vorliegen, haben die Autoren versucht, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Sie haben hierzu die Daten aller Mitglieder des "Kaiser Permanente Southern California Health Plan",
die zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 31. Dezember 2012 ein Cephalosporin erhalten hatten, hinsichtlich der dokumentierten leichten und schweren Nebenwirkungen untersucht.
Ergebnisse: Bei 622.456 Mitgliedern wurden während der Studienperiode 901.908 Behandlungen mit einem oral verabreichten Cephalosporin, bei 326.867 Mitgliedern wurden 487.630 Behandlungen mit einem
parenteralen Cephalosporin durchgeführt. Cephalosporin-Nebenwirkungen wurden zu 0,56% bei Frauen und zu 0,43% bei Männern beobachtet. Die häufigste, mit der Cephalosporin-Gabe assoziierte, Nebenwirkung
war das Auftreten von Clostridium difficile Infektionen innerhalb von 90 Tagen (0,91%), einer Nephropathie innerhalb von 30 Tagen (0,15%) und des Todes aus jedweder Ursache innerhalb von 1 Tag (0,10%).
Diese Nebenwirkungen korrelierten nicht mit einer Allergie-Vorgeschichte.
Insgesamt wurde über 5 Fälle einer Anaphylaxie berichtet (95% KI 1/1.428.571-1/96.154), die auf die Gabe von oralen
Cephalosporinen zurückgeführt wurden, und über 8 Fälle, die mit einer parenteralen Anaphylaxie verbunden waren (95% KI 1/200.000-1/35.971). Drei Fälle waren mit schweren Hautreaktionen
(Stevens-Johnson-Syndrom) verbunden (95% KI 0-1/ 217.291). Diese Patienten hatten aber gleichzeitig ein weiteres Antibiotikum erhalten.
Schussfolgerungen: Cephalosporine sind sichere Antibiotika, die selbst bei Penicillin-allergischen Patienten nur selten zu Nebenwirkungen führen. Cephalosporin-assoziierte Anaphylaxien und schwere
Nebenwirkungen der Haut sind im Vergleich zu den innerhalb von 90 Tagen beobachteten Clostridien-Infektionen und den innerhalb von 30 Tagen beobachteten Nierenerkrankungen eher selten.
Macy, E, Contreras, R. Adverse reactions associated with oral and parenteral use of cephalosporins: A retrospective population-based analysis. J Allergy Clin Immunol 2015 Mar, 135(3): 745-752
Kommentar:
Die Penicillin-ß-Lactam-Allergie gehört mit einer Prävalenz von etwa 8% zu den häufigsten dokumentierten, medikamentös verursachten Allergien. Dürfen Cephalosporine bei bekannter
Penicillin-Allergie verordnet werden? Cephalosporine der ersten Generation werden häufig zur antibiotischen Prophylaxe bei chirurgischen Eingriffen eingesetzt. Dabei werden Patienten, bei denen
eine Penicillin-Allergie bekannt ist, von der Cephalosporin-Prophylaxe wegen befürchteter Kreuzallergien ausgeschlossen. Stattdessen erhalten sie meist Clindamycin. Kreuzreaktionen von Cephalosporinen
mit ß-Lactam-Antibiotika bei Penicillin-allergischen Patienten scheinen, aber weniger häufig aufzutreten als erwartet.
Nur bei 1% Penicillin-allergischer Patienten (n=513) führte die präoperative Gabe
von Cephalosporinen in einem tertiären Zentrum zu einer allergischen, aber nicht einer anaphylaktischen Reaktion. Diese Nebenwirkungsrate wird auch von anderen Autoren angegeben, wenn Cephalosporine der
ersten Generation mit ähnlichen Seitenketten verwendet werden. Bei Cephalosporinen der dritten und vierten Generation mit anderen Seitenketten, die sich vom Allergieauslöser Penicillin unterscheiden,
scheint das Kreuzreaktions-Risiko zwar immer noch vorhanden zu sein, aber noch seltener zu klinischen Reaktionen zu führen.
Macy, E. Penicillin and beta-lactam allergy: epidemiology and diagnosis. Curr Allergy Asthma Rep Nov 14(11):
476 Beltran, RJ et al. Penicillin allergy and surgical prophylaxis: Cephalosporin cross-reactivity risk in a pediatric tertiary care center. J Pediatr Surg 2014 Dec 12
(epub ahead of print)
Campagna, JD et al. The use of cephalosporins in penicillin-allergic patients: a literature review. J Emerg Med 2012 May, 42(5):
612-620 Macy, E, Contreras, R. Adverse reactions associated with oral and parenteral use of cephalosporins: A retrospective population-based analysis. J Allergy Clin Immunol 2015 Mar, 135(3): 745-752
Bereits frühere Untersuchungen haben auf die Folgen einer vermehrten Schallexposition Jugendlicher hingewiesen. Rock-Musiker leiden zu etwa 20% unter
Hörverlust. Kontinuierliche Lärmexposition ist ein bekannter Risikofaktor für Hörstörungen, Hörverlust, Tinnitus (Ohrgeräusche) und Hyperakusis
(Schallüberempfindlichkeit). Nicht nur Rock-Konzerte, sondern auch das häufige Hören von Musik mit einer Schallstärke von über 90 dBA erhöhen das Schädigungs-Risiko.
In der Folge erhöhter Lärmbelastungen weisen Jugendliche zunehmende Hörstörungen wie Tinnitus und Hyperakusis auf. Belgische Autoren haben die Epidemiologie der
Lärm induzierten Hörstörungen untersucht, um Prävalenzdaten für den permanenten und transitorischen Tinnitus zu erhalten. Gleichzeitig wurden die an der Studie
teilnehmenden 3892 Oberschüler (mittleres Alter 16,64 Jahre, SD: 1,29 Jahre) über ihre Ansichten zu Lärm und Hörschutz befragt.
Die meisten Schüler hatten ein eher neutrales Verhältnis gegenüber lauter Musik. Die Prävalenz des temporären und des permanenten Lärm-induzierten Tinnitus betrug
74,9% und 18,3%. Sie nahm mit dem Alter zu. Der Einsatz von Hörschutz-Maßnahmen betrug nur 4,7%. Trotz der hohen Prävalenz des Tinnitus ist die Kenntnis über
hörschützende Maßnahmen erstaunlich gering. Die Autoren empfehlen angesichts der hohen Tinnitus-Prävalenz, Jugendliche besser über die Folgen lauter Musik und
mögliche Maßnahmen zum Schutz des Gehörs aufzuklären. Ein temporärer Tinnitus sollte ein Warnsignal sein, das unbeachtet mit einem dauernden Hörschaden enden kann.
Størmer CC1, Stenklev NC. Rock music and hearing disorders. Tidsskr Nor Lageforen Mar 29, 127(7):
874-7 Gilles, A et al. Epidemiology of Noise-Induced Tinnitus and the Attitudes and Beliefs towards Noise and Hearing Protection in Adolescents.
Plos One July 2013, 8(7): e70297
Kommentar:
Eine Hörschädigung im Schulalter beeinträchtigt die Wahrnehmung der Sprache, die Lernfähigkeit, die Entwicklung sozialer Kontakte und das Selbstwertgefühl.
Nach Untersuchungen in den USA nehmen die durch Lärm bedingten Hörschäden bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu. Hoher Lärm und zu laute Musik führen zu
Hörschäden. Die WHO schreibt in ihrem aktuellen Bericht, dass weltweit etwa 1,1 Milliarden Teenager über zu laute Audio-Geräte eine Gehörschädigung riskieren.
Eine Analyse in Ländern mit mittlerem und hohem Einkommen hat gezeigt, dass etwa die Hälfte der 12- bis 35-Jährigen unsicheren Lärmpegeln über Smartphones und
weiteren Audio-Geräten ausgesetzt sind. Unsichere Lärmpegel werden als 85 dBA über 8 Stunden oder 100 dBA über 15 Minuten definiert. Die von Gilles et al.
publizierten Prävalenz-Daten, dass 74,9% aller Oberschüler unter einem vorübergehenden und 18,3% unter einem dauerhaften Lärm-induzierten Tinnitus leiden,
erschrecken.
Sicheres Hören hängt von der Schall-Intensität, der -Lautstärke, der -Dauer und der Häufigkeit der Exposition ab. Eine hohe Schall- und Lautstärke z.B. bei
Rock-Konzerten kann durch Schädigung der Sinneszellen in der Gehörschnecke zu einem vorübergehenden Hörverlust, Ohrgeräuschen und zu einem dauerhaften Tinnitus
oder Hörverlust führen. Deshalb empfiehlt die WHO, Audio-Geräte nicht länger als eine Stunde zu nutzen und das Schallvolumen aller emittierenden Geräte zu
kontrollieren und, wenn möglich, zu reduzieren. Falls dies nicht möglich ist, wie zum Beispiel bei Rock-Konzerten, sollten schützende Maßnahmen (z.B. Ohrstöpsel)
ergriffen werden.
Gilles, A et al. Epidemiology of Noise-Induced Tinnitus and the Attitudes and Beliefs towards Noise and Hearing Protection in Adolescents. Plos One July 2013, 8(7):
e70297
Shargorodsky, J et al. Change in prevalence of hearing loss in US adolescents. JAMA 2010 Aug 18, 304:772-778
WHO. Media centre. 1.1 billion people at risk of hearing loss. Press release 27 February 2015.
Rauchen ist weltweit einer der größten Risikofaktoren für kardio-vaskuläre Erkrankungen und einer der häufigsten Gründe für einen vorzeitigen Tod. Auch die
Tabakrauch-Exposition von Nicht-Rauchern erhöht deren kardio-vaskuläres Risiko. Besteht auch ein Zusammenhang zwischen der Tabakrauch-Exposition von Kindern und
ihrem späteren kardio-vaskulären Risiko? Diese bisher kaum untersuchte Frage wurde jetzt von finnischen Autoren untersucht.
In einer 26-jährigen Follow-up-Studie ("The Cardiovascular Risk in Young Finns Study") wurden die Daten von 2.448 Studienteilnehmern daraufhin analysiert, inwieweit
ihre Tabakrauch-Exposition im Kindesalter mit der Entstehung arteriosklerotischer Veränderungen in der Arteria carotis im jungen Erwachsenalter zusammenhängt.
Informationen zur Tabakrauch-Exposition wurden zu Studienbeginn 1980 und 1983, die Daten zur Intima-Media-Dicke der Arteria carotis (ein Marker zur Evaluation
arteriosklerotischer Erkrankungen) im jungen Erwachsenenalter 2001 und 2007 erhoben. Die tiefgefrorenen Serum-Cotinin-Spiegel (Cotinin ist ein Abbauprodukt des Nikotins)
aus dem Jahre 1980 wurden 2014 (n=1.578) ausgewertet.
Die Anzahl der Kinder mit nicht nachweisbaren Cotinin-Spiegeln war da am größten, wo keiner der beiden Eltern (84%) rauchte, und nahm ab, wenn einer der Eltern
rauchte (62%), und war am niedrigsten, wenn beide Eltern rauchten (43%). Das relative Risiko (RR), arteriosklerotische Plaques in der Carotis zu entwickeln, stieg an,
wenn einer oder beide Elternteile rauchten (RR 1,7, 95% KI 1,0-2,8, P=0,04). Selbst bei rauchenden Eltern, die sich bemühten, ihre Kinder nicht ständig dem Rauch
auszusetzen, war das spätere Arteriosklerose-Risiko um das 1,6fache größer. Wenn die Eltern nicht darauf achteten, war das kindliche Risiko sogar um das 4fache
erhöht.
Kinder, die dem Tabakrauch ihrer Umgebung ausgesetzt sind, werden in ihren Gefäßfunktionen dauerhaft geschädigt und weisen ein höheres späteres Arteriosklerose-Risiko
auf. Rauchende Eltern können dieses Risiko mindern, wenn sie versuchen, die Tabakrauch-Exposition ihrer Kinder weitestgehend zu reduzieren.
West, HW et al. Exposure to Parental Smoking in Childhood is Associated with Increased Risk of Carotid Atherosclerotic Plaque in Adulthood: The Cardiovascular
Risk in Young Finns Study. Circulation 2015 Mar 23 (epub ahead of print)
Kommentar:
Die Beziehung zwischen Rauchen und Arteriosklerose ist gesichert. Rauchen fördert über eine erhöhte Fett-Oxidation und Anhäufung von Cholesterol-Estern in den
arteriellen Plaques die Entstehung der Arteriosklerose. Dabei konnte bisher schon gezeigt werden, dass die Auswirkungen des Passivrauchens sich nicht wesentlich
von denen bei aktiven Rauchern unterscheiden. Die Ergebnisse der "Cardiovascular Risk in Young Finns Study" bestätigen damit ältere Studien an Erwachsenen, die
gezeigt haben, dass die Tabakrauch-Exposition über die Umgebung (Passivrauchen) einen irreversiblen Einfluss auf die spätere Gesundheit der Gefäße besitzt.
Das gilt auch für Kinder, deren Eltern rauchen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass bereits ein rauchender Eltern-Teil ausreicht, das kindliche Arteriosklerose-Risiko
im Erwachsenenalter signifikant zu erhöhen. Eltern, die nicht in der Lage sind, ihr Rauchverhalten zu ändern, können zumindest durch Einhalten einer "Rauchhygiene",
indem sie nicht in der gemeinsamen Wohnung rauchen, dazu beitragen, das spätere kindliche Krankheitsrisiko zu reduzieren. Eltern sollten nicht nur über die
kurzfristigen kindlichen Risiken (erhöhte Infektanfälligkeit), sondern auch über die Langzeitrisiken (Gefäßerkrankungen) aufgeklärt werden.
English, JP et al. Tobacco and Coronary Disease. JAMA 1940, 115: 1327-1329
Barnoya, J, Glanz, SA. Cardiovascular effects of secondhand smoke nearly as large as smoking. Circulation 2005, 111: 2684-2698
West, HW et al. Exposure to Parental Smoking in Childhood is Associated with Increased Risk of Carotid Atherosclerotic Plaque in Adulthood: The Cardiovascular Risk
in Young Finns Study. Circulation 2015 Mar 23 (epub ahead of print)
Amerikanische Kinderärzte haben offenbar das gleiche Problem wie deutsche Kinderärzte. Viele Eltern bitten aus unterschiedlichen Gründen, von dem empfohlenen
Impfschema abzuweichen. Eine kürzlich in den USA durchgeführte Untersuchung hat gezeigt, dass 13% aller Eltern ihre Haus- und Kinderärzte bitten, Änderungen
im empfohlenen Impfschema vorzunehmen. Änderungen im Impfschema können zu Impflücken führen und das kindliche Risiko erhöhen, nicht nur selbst an vermeidbaren
Infektionen zu erkranken, sondern diese auch an andere Kinder weiterzugeben. Der Anteil der Eltern, die generell Impfungen ablehnen, ist im Vergleich zu den
Eltern, die eine Änderung des Impfschemas (Ausdehnung der Impf-Intervalle oder Verschiebung der Impfungen auf ein späteres Alter) wünschen, gering. Es liegen
bisher kaum Informationen darüber vor, wie amerikanische Haus- und Kinderärzte mit diesen Änderungswünschen der Eltern umgehen.
In einer email-Fragebogen-Aktion wurden deshalb amerikanische Haus- und Kinderärzte zum Impfverhalten in einer repräsentativen Stichprobe zwischen Juni 2012
und November 2012 befragt.
1. Wie oft bitten Eltern, die empfohlenen Impfungen über einen längeren als empfohlenen Zeitraum durchzuführen?
2. Wie ist Ihre Reaktion auf solche Bitten?
3. Wie wirksam sind Ihre Strategien, im elterlichen Gespräch solchen Wünschen zu widersprechen?
Die Antwortrate der angeschriebenen Ärzte betrug 66% (534 von 815), 70% bei Kinder- und 61% bei Hausärzten. In einem typischen Monat berichteten 93% der
angeschriebenen Ärzte, dass einige Eltern mit Kindern < 2 Jahren den Wunsch äußerten, die Impfungen über einen längeren Zeitraum auszudehnen, 21% der Ärzte
berichteten, dass sogar mehr als 10% der Eltern diesen Wunsch äußerten. Sie gaben an, dass die meisten Eltern, die um eine Änderung des Impfschemas bitten, die
Anzahl der simultan verabreichten Impfungen reduziert haben wollen, um sie dann später durchführen zu lassen. Manche Eltern befürchten nach Impfungen
Langzeit-Nebenwirkungen. Sie haben dabei weniger Angst vor dem Risiko, dass durch Impfung vermeidbare Infektionskrankheiten wie z.B. Masern auftreten können.
In ihren Antworten gaben 9 Kinderärzte und 72 Hausärzte an, dass sie Kinder < 2 Jahren überhaupt nicht impfen. Sie wurden von der weiteren
Auswertung ausgeschlossen.
Die meisten Eltern (92%) akzeptieren die Bedeutung eines zeitgerechten Impfschutzes. Eltern, die eine zeitliche Verlängerung des Impfschemas wünschen, sind
damit einverstanden, dass sie für ihre Kinder ein höheres Krankheitsrisiko (87%) akzeptieren und dass es wahrscheinlich schwieriger sein wird, ihre Kinder zu
separaten Nachfolgeimpfungen in die Praxis zu bringen (84%). Die befragten Ärzte glauben, dass ihre Zustimmung zu den Veränderungen des empfohlenen Impfschemas
eine vertrauensvollere Zusammenarbeit mit den Eltern (82%) ermöglicht. Die Eltern würden vielleicht sonst auch eine andere Praxis aufsuchen (80%). Die meisten
Ärzte stimmen deshalb einer Verlängerung des Impfschemas zu, wenn dies von den Eltern gewünscht wird, 37% oft oder immer und 37% manchmal, 26% selten. Viele
Ärzte befürchten, dass die Notwendigkeit von zeitgerechten Impfungen durch Veränderungen des Impfschemas in Frage gestellt wird. Nur einige Ärzte (7%), mehr Kinder-
als Hausärzte, entlassen Eltern und Kinder, die das reguläre Impfschema verweigern, aus ihrer Betreuung. Mehr Kinder- als Hausärzte (57% gegenüber 34%) berichten,
dass sie >10 Minuten mit besorgten Eltern über Impfungen reden.
Ärzte bedienen sich unterschiedlicher Strategien als Antwort auf elterliche Bedenken. Sie glauben aber nicht, dass diese sehr wirksam sind. Die meisten geben den
Bitten der Eltern nach. Die unterschiedlichen ärztlichen Strategien, den geäußerten elterlichen Bedenken zu widersprechen, scheinen wenig wirksam zu sein.
Feikin, DR et al. Individual and community risks of measles and pertussis associated with personal exemptions to immunization. JAMA 2000, 284(24):
3145-3150
Dempsey, AF et al. Alternative vaccination schedule preferences among parents of young children. Pediatrics 2011, 128(5): 848-856
Kempe, A et al. Physician Response to Parental Request to Spread Out the Recommended Vaccine Schedule. Pediatrics 2015 March 15 (epub ahead of print)
Kommentar: Im Gegensatz zu vielen älteren Studien, die sich eher auf Eltern fokussiert haben, die Impfungen generell verweigern, zielt diese Studie auf die große
Mehrzahl der Eltern, die zwar Bedenken äußern und einige Änderungen im Impfschema wünschen, im Ende aber bereit sind, ihre Kinder impfen zu lassen. Die
elterlichen Impfentscheidungen werden durch soziale Netzwerke (Müttergruppen, Freundinnen, Bekannte) beeinflusst. Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder- und Hausärzte viel
Zeit mit der elterlichen Beratung aufbringen, wobei vielleicht andere wichtige Themen (z.B. Entwicklung, Ernährung, Verhalten, Tabakkonsum der Eltern etc.), die bei
den Untersuchungen gesunder Säuglinge und Kinder angesprochen werden sollten, verdrängt werden. Es gibt bisher kein Rezept für eine wirksame ärztliche Beratung,
die impfunwillige Eltern überzeugt, ihre Kinder überhaupt oder entsprechend den Leitlinien impfen zu lassen. Wahrscheinlich kommt der Vertrauenswürdigkeit des Arztes
die größte Bedeutung zu. Nur 69% der Eltern, die Impfungen herauszögern, und 38% der Eltern, die Impfungen insgesamt verweigern, hatten großes Vertrauen in den Rat
ihres Kinderarztes, was die Impfungen betraf.
Die amerikanischen Daten zeigen, was auch den Erfahrungen unserer Praxis entspricht, dass der Anteil der Eltern, die eine Veränderung des Impfschemas wünschen,
zugenommen hat. Aus Deutschland liegen zu dieser Frage keine belastbaren Zahlen vor. Änderungen im Impf-Plan führen zu einer Zunahme nicht ausreichend geschützter
Kinder. Eine nicht ausreichende Immunisierung hat in der Vergangenheit immer wieder zum Auftreten von vermeidbaren Erkrankungen geführt, wie die beobachteten
Ausbrüche für Masern, Pertussis, Diphtherie etc. in mehreren Ländern und auch in Deutschland gezeigt haben.
Kempe, A et al. Physician Response to Parental Request to Spread Out the Recommended Vaccine Schedule. Pediatrics 2015 March 15 (epub ahead of print)
Dempsey, AF et al. Alternative vaccination schedule preferences among parents of young children. Pediatrics 2011, 128(5): 848-856
Glanz, JM et al. Association between undervaccination with diphtheria, tetanus toxoids, and acellular pertussis (Tdap) vaccine and risk of pertussis infection
in children 3 to 36 months of age. JAMA Pediatr 2013, 167(11): 1060-1064
Die vorhandenen epidemiologischen Daten lassen vermuten, dass ein familiärer Zusammenhang zwischen dem Brust- und Prostatakrebs-Risiko besteht. Ob aber eine
in der Familie vorhandene Brust- oder Prostatakrebs-Erkrankung das Erkrankungsrisiko für weitere Familienmitglieder erhöht, ist bisher unklar.
Die Autoren verfolgten 78.171 Teilnehmerinnen der "Women's Health Initiative Observational Study". Von den Studienteilnehmerinnen erkrankten während einer
132 Monate dauernden Beobachtungszeit 3506 Frauen (4,5%) an Brustkrebs. Ein Verwandter ersten Grades mit Brust- oder Prostatakrebs hatte ein um 1,42 erhöhtes
Brustkrebs- oder ein um 1,14 erhöhtes Prostatakrebs-Risiko. Eine Familienvorgeschichte für beide Krebsarten bei Verwandten ersten Grades erhöhte das Risiko
auf das 1,78 fache. Das Brust- und Prostatakrebs-Risiko war bei anderen Krebsarten in der Verwandtschaft ersten Grades nicht erhöht.
Obwohl BRAC1- und BRAC2-Mutationen mit einem erhöhten Krankheits-Risiko für beide Krebsarten assoziiert sind, zeigt die Analyse der Autoren, dass diese
beiden Genmutationen nur für einen Bruchteil der Verbindung zwischen Prostata- und Brustkrebs verantwortlich sind.
Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Familienvorgeschichte, die in die Beratung und Screening-Praxis eingehen sollte. In zukünftigen Untersuchungen
müsste geklärt werden, welchen relativen Anteil genetische und gemeinsame Umgebungsfaktoren bei der Krankheitsentstehung spielen.
Beebe-Dimmer, JL et al. Familial clustering of breast and prostate cancer and risk of postmenopausal breast cancer in the women's Health Initiative Study.
Cancer 2015 Mar 9 (epub ahead of print)
Kommentar:
Die Studie von Beebe-Dimmer et al. bestätigt eine ältere prospektive Untersuchung aus dem Jahr 1994 von Sellers et al., in der bereits auf die familiäre
Verbindung von Prostata-, Brust- und Eierstock-Krebs hingewiesen wurde. Eine Familienvorgeschichte mit sowohl Brust- wie auch Prostatakrebs erhöhte in dieser
Untersuchung das Brustkrebsrisiko bei Frauen in der Verwandtschaft, die 45 Jahre und älter waren, auf das Zweifache (RR 2,06, 95% KI 1,23-3,45).
Beebe-Dimmer, JL et al. Familial clustering of breast and prostate cancer and risk of postmenopausal breast cancer in the women's Health Initiative Study.
Cancer 2015 Mar 9 (epub ahead of print) Sellers, TA et al. Familial clustering of breast and prostate cancers and risk of postmenopausal breast cancer.
J Natl Cancer Inst 1994 Dec 21, 86(24): 1860-1865
Der Tod eines Berliner Kindes hat wieder einmal gezeigt, dass die Masern keine harmlose Kinderkrankheit sind. Die Masern greifen in Deutschland weiter um sich. Die Zahl der gemeldeten Erkrankungen ist nach aktuellen Angaben bundesweit auf über 1000 gestiegen. Die Betroffenen hatten entweder gar keinen oder einen ungenügenden Impfschutz (nur einmalige Impfung).
Wer hat ein hohes Erkrankungs-Risiko?Nicht geimpfte Kinder haben das höchste Risiko, an Masern und ihren Komplikationen zu erkranken. Danach folgen nicht geimpfte Schwangere. Aber auch jede andere geimpfte oder nicht geimpfte Person, die keine Masern-Antikörper besitzt, kann erkranken.
Wie werden Masern übertragen?Das hochinfektiöse Virus breitet sich über Husten, Schniefen, oder durch engen persönlichen Kontakt mit infizierten Personen aus. Das Virus bleibt über zwei Stunden auf infizierten Oberflächen ansteckend.
Wie können Masern behandelt werden?Für die Behandlung der Masern gibt es keine spezifische Therapie! Lediglich in der Folge auftretende bakterielle Erkrankungen müssen antibiotisch behandelt werden.
Wie kann eine Erkrankung verhindert werden?Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt die zweimalige Impfung aller Kinder gegen Masern. Zwei Impfdosen werden, meist in Kombination mit Mumps, Röteln und Windpocken, empfohlen, da etwa 15% der nur einmal gegen Masern geimpften Kinder keine Antikörper entwickeln. Nur mit der zweimaligen Impfung können größere Masernausbrüche verhindert werden.
Alle Kinder und Erwachsene ohne Masernerkrankung in der Vorgeschichte, die noch nicht oder nur einmal gegen Masern geimpft wurden, sollten sich spätestens jetzt impfen lassen. Überprüfen Sie Ihren Impfpass und sprechen Sie mit uns.
In jedem Jahr nach dem Winter erwachen mit dem biologischen Frühling im März, bei mildem Wetter auch früher, die Zecken. Die Zeckenzeit geht
in West- und Mittel-Europa etwa bis in den Oktober.
Zecken können als Überträger von Erregern bei Menschen eine Vielzahl von ernsten Erkrankungen hervorrufen, da sie für viele Erreger eine Taxi-Funktion haben.
In West-und Mittel-Europa sind es am ehesten die Frühsommer-Meningo-Encephalitis und die Borreliose. Eine Zecke kann aber auch mehrere Erreger mit einem Biss übertragen.
Wenn Sie eine Zecke auf der Haut finden, ist das kein Grund zur Panik. Meist bleibt der Stich folgenlos.
Auch wer sich mit großer Umsicht in der Natur bewegt, kann von Zecken gestochen werden. Die Evidenz zur Entfernung von Zecken ist begrenzt.
Experimentelle Studien scheinen nahezulegen, dass chemische Substanzen, die Zecken zum Abfallen zu bewegen, ineffektiv sind. Sie fördern nicht die Lösung
von der Haut und ermöglichen eher noch die Übertragung von Viren und Mikroben in den Wirt.
Auch Substanzen, wie Vaseline, die zum Ersticken der Zecken führen sollen, sind wirkungslos. Zecken haben mit 3-15 Atemzügen pro Stunde eine so niedrige Atemfrequenz,
dass die lange Zeit bis zum Ersticken ausreicht, den Wirt zu infizieren. In jedem Fall sollten Zecken also so schnell wie möglich von der Haut entfernt werden,
um das Infektionsrisiko zu minimieren.
Wie sollen Zecken entfernt werden?
Die US-amerikanische CDC (Centers for Disease Control and Prevention) gibt nachfolgende Ratschläge:
1. Gehen Sie mit einer spitzen Pinzette so nahe an die Haut wie möglich. (siehe Bild)
2. Ziehen Sie mit einem konstanten Druck. Vermeiden Sie ruckartiges Ziehen oder Drehen. Dadurch könnten Teile der Mundwerkzeuge abgerissen werden, die dann in der Haut verbleiben. Sollte dies geschehen, versuchen Sie, auch die Mundwerkzeuge mit der spitzen Pinzette zu entfernen. Wenn dies nicht gelingt, lassen Sie die Haut heilen.
3. Nach der Entfernung der Zecke desinfizieren Sie die Stelle mit Alkohol. Die Zecke sollte mit Alkohol getränkt eingewickelt werden (z.B. Tesa™ Film) und über die Toilettenspülung entsorgt werden. Zerdrücken Sie die Zecke nicht mit den Fingern, um sich nicht doch noch anzustecken.
4. Vermeiden Sie die folkloristischen Empfehlungen, die Zecke mit Nagelpolitur, Fett oder auch Hitze zu bestreichen, damit sie sich eher von der Haut löst. In jedem Fall sollte eine Zecke so schnell wie möglich entfernt werden, um einen eventuellen Übertritt von Erregern zu verhindern.
5. Wenn sich an der Bissstelle innerhalb von einigen Wochen ein Ausschlag entwickelt, sollten Sie einen Arzt hinzuziehen.
Pitches, DW. Removal of tics: a review of the literature. Eurosurveillance weekly release 2006, 11(8)
Aug 17 CDC. Centers for Disease Control and Prevention. CDC 24/7: Saving Lives. Protecting People™
Schlafstörungen gehören zu den häufigsten klinischen Problemen. Ein unzureichender, nicht erholsamer Schlaf beeinträchtigt die Lebensqualität der Betroffenen.
Wie viel Schlaf benötigen gesunde Kinder und Erwachsene?
Die "National Sleep Foundation" der USA hat die vorhandene Literatur zu diesem Thema aufgearbeitet und auf dieser und der Grundlage von Konsensus-Empfehlungen
einer 18-köpfigen Arbeitsgruppe Empfehlungen zur Schlafdauer für unterschiedliche Altersgruppen ausgesprochen:
Alter | Empfohlen/h | Vielleicht noch angemessen/h |
Nicht empfohlen/h |
Neugeborene | 14 bis 17 Std. | 11 bis 13 Std. | Weniger als 11 Std. |
0-3 Monate | 18 bis 19 Std. | Mehr als 19 Std. | |
Säuglinge | 12 bis 15 Std. | 10 bis 11 Std. | Weniger als 10 Std. |
4-11 Monate | 16 bis 18 Std. | Mehr als 18 Std. | |
Kleinkinder | 11 bis 14 Std. | 9 bis 10 Std. | Weniger als 9 Std. |
1-2 Jahre | 15 bis 16 Std. | Mehr als 16 Std. | |
Vorschulkinder | 10 bis 13 Std. | 8 bis 9 Std. | Weniger als 8 Std. |
3-5 Jahre | 14 Std. | Mehr als 14 Std. | |
Schulkinder | 9 bis 11 Std. | 7 bis 8 Std. | Weniger als 7 Std. |
6-13 Jahre | 12 Std. | Mehr als 12 Std. | |
Teenager | 8 bis 10 Std. | 7 Std. | Weniger als 7 Std. |
14-17 Jahre | 11 Std. | Mehr als 11 Std. | |
Junge Erwachsene | 7 bis 9 Std. | 6 Std. | Weniger als 6 Std. |
18-25 Jahre | 10 bis 11 Std. | Mehr als 11 Std. | |
Erwachsene | 7 bis 9 Std. | 6 Std. | Weniger als 6 Std. |
26-64 Jahre | 10 Std. | Mehr als 10 Std. | |
Ältere Erwachsene | 7 bis 9 Std. | 5 bis 6 Std. | Weniger als 5 Std. |
65 Jahre + mehr | 9 Std. | Mehr als 9 Std. |
Die Empfehlungen der 18-köpfigen Arbeitsgruppe beziehen sich auf die Schlafdauer, die altersabhängig und individuell großen Schwankungen unterliegt.
Die Auswertung unterschiedlicher Kohorten- und Populations-Studien hat gezeigt, dass häufig nicht zwischen der im Bett verbrachten Zeit und dem aktuellen Schlaf
unterschieden wird.
Interventionsstudien, bei denen im Labor der Schlaf gemessen wird, weisen in der Regel eine kürzere Schlafdauer auf als die im Bett verbrachte Zeit. Die im Bett verbrachte Zeit ist jedoch ein wesentlicher und leicht messbarer Indikator der Schlafdauer, wenn auch die unter Laborbedingungen gemessene Schlafzeit kürzer ist.
Die Erholung im Schlaf ist wesentlich schwieriger zu messen.
Sie ergibt sich aus der Ursache der Schlafstörung, der allgemeinen Schlaf-Qualität, der Schlaf-Architektur und dem Zeitpunkt des Schlafes im Tagesverlauf. Hierüber liegen kaum ausreichende Studien vor.
Eine Schlafstörung liegt dann vor, wenn der Betroffene Probleme beim Einschlafen und Durchschlafen wahrnimmt und dies als Problem ansieht.
Hirschkowitz, M et al. National Sleep Foundation´s sleep time duration recommendations: methodology and results summary. Sleep Health.
Nützt oder schadet es? Die Antwort hängt von der Lokalisation ab. Mehr als 99% des Körper-Calciums befindet sich in den Zähnen, im Knochen und in den intra-
und extrazellulären Flüssigkeiten, wo es nützt. Es findet sich aber auch an anderen Stellen, wo es schadet, in Geweben, den Nieren, den Gefäßwänden oder in Nekrosen.
Mit der Evaluierung des Calciums ist es wie mit der Evaluierung eines Grundstücks, schreibt George Lundberg in Medscape. Es kommt auf die Lage an:
"Location,
Location, Location". Die Studie von Torbergsen et al. hat gezeigt, dass sich nicht nur die Gabe von Vitamin D, sondern auch von Vitamin K positiv auf die
Knochendichte auswirkt und das Hüftfrakturrisiko verringert.
Verhindern beide Vitamine vielleicht auch die Ablagerung von Calcium in Gefäßen und Geweben?
In der Vergangenheit konnte gezeigt werden, dass Vitamin D-Mangel eine mögliche Erklärung für den Zusammenhang zwischen Osteoporose und Arteriosklerose sein könnte. Jetzt
haben auch tierexperimentelle Untersuchungen gezeigt, dass ein Vitamin K-Mangel die Gewebeverkalkung und die Arteriosklerose über eine unzureichende
Carboxylierung (Aktivierung) der Vitamin K-abhängigen Proteine fördert. Ein ausreichender Vitamin K-Status scheint so nicht nur der Osteoporose, sondern auch
der Kalkablagerung in den Gefäßen über eine Optimierung der γ-Carboxylierung entgegenzuwirken, wie Tierexperimente belegen.
Studien an Menschen haben bisher noch
nicht zu eindeutigen Ergebnissen geführt.
Zukünftige klinische Untersuchungen werden zeigen müssen, ob eine optimale γ-Carboxylierung einen günstigen Einfluss auf die Entstehung der Arteriosklerose besitzt.
Bei der Behandlung der Osteoporose mag es aber auch heute schon sinnvoll sein, neben Vitamin D auch Vitamin K in die therapeutischen Überlegungen einzubeziehen.
Lundberg, George. Is Calcium Good or Bad? 2015 Feb 03; http://www.medscape.com/viewarticle/838659_print. Download 2015
Feb 15 Torbergsen, AC et al. Vitamin K1 and 25(OH)D are independently and synergistically associated with a risk for hip fracture in an elderly population:
A case control study. Clin Nutr 2015 Feb; 34(1): 101-106 Watson, KE et al. Active Serum Vitamin D Levels Are Inversely Correlated With Coronary Calcification.
Circulation 1997; 96: 1755-1760 Cockayne, S et al. Vitamin K and the Prevention of Fractures. Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Trials.
Ann Intern Med 2006; 166: 1256-1261
Trotz vorhandener Hinweise auf einen Zusammenhang gibt es nur wenige Untersuchungen zur Verbindung zwischen Karies, Knochendichte und Knochenstoffwechsel.
Die Autoren haben in einer aktuellen Studie diesen möglichen Zusammenhang an 123 Karies-kranken Kindern (KK) im Alter zwischen 12-15 Jahren
(63 Jungen und 60 Mädchen) untersucht und die Ergebnisse mit denen von 42 Karies-freien (KF) Kindern verglichen.
Die KK-Kinder wurden entsprechend der Schwere
ihrer Karies in zwei Gruppen eingeteilt, in die mit "decayed, missing and filled tooth" (DMFT) und in die mit beginnender Karies (BK). Die Knochendichte
(BMD – bone mineral density) wurde bei allen Kindern an der lumbalen Wirbelsäule mit DEXA (dual energy X-ray absorptiometry) gemessen.
Der Knochenstoffwechsel wurde über die Bestimmung von Osteocalcin, Carboxy-terminal-telepeptide Typ I Kollagen (CTX), Parathormon, Calcium, Phosphat und
alkalischer Phosphatase erfasst.
Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder mit DMFT im Vergleich zu KF-Kindern und zu Kindern mit einer beginnenden Karies (BK) eine niedrigere Knochendichte aufweisen,
die mit einem niedrigen Osteocalcin-Spiegel und hohen CTX-Spiegeln assoziiert ist. Die Karies-Stadien korrelierten negativ mit der BMD (r=-0,86, p kleiner 0,001). CTX und Osteocalcin waren in der DMFT-Gruppe negativ korreliert (r=-0,22, p=0,043), während sie in der BK-(r=0,42, p=0,002) und KF-Gruppe (r=0,58, p=0,000)
positiv korreliert waren.
Kinder mit Karies weisen eine verminderte Knochendichte auf, die mit einer verstärkten ossären Resorption verbunden ist. Die Untersucher betrachten Karies als
Marker für einen gestörten Knochenstoffwechsel.
Kostik, MM et al. Caries in adolescents in relation to their skeletal status. J Pediatr Endocrinol Metab 2014 Oct 18 (epub ahead of print)
Übermäßiges Sitzen wird zunehmend als Risikofaktor für Diabetes, kardio-vaskuläre oder auch psychiatrische Erkrankungen und als Mortalitätsrisiko definiert.
Körperliche Aktivität ist mit einem besseren Schlaf und einem geringeren Risiko für eine obstruktive Schlafapnoe verbunden.
Die Autoren haben mit ihrer aktuellen Querschnitts-Studie mit Hilfe eines Fragebogens an 1000 Erwachsenen untersucht, inwieweit die allgemeine Sitz-Zeit
und die Zeit vor dem Fernseher mit der Schlafdauer, der Schlafqualität, der obstruktiven Schlafapnoe und der Tagesschläfrigkeit verbunden ist.
In der Auswertung zeigte sich, dass jede zusätzliche Stunde an Sitz-Zeit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu einer verschlechterten Schlafqualität, nicht
zu einer kürzeren Schlafdauer, aber einer obstruktiven Schlafapnoe und/oder Tagesschläfrigkeit führte.
Jede zusätzliche Stunde vor dem Fernseher
erhöhte die Wahrscheinlichkeit für eine längere Einschlafzeit, früheres Aufwachen, eine schlechtere Schlafqualität und eine obstruktive Schlafapnoe.
Bumann, MP et al. Sitting and Television Viewing: Novel Risk Factors for Sleep Disturbance and Apnea Risk? Results from the 2013 National
Sleep Foundation Sleep in America Poll. Chest 2015 Jan 29 (epub ahead of print).
Die medizinische und ökonomische Bedeutung der Fluoridprophylaxe für die Zahngesundheit ist bis heute unbestritten geblieben. Säuglinge, Früh- und Reifgeborene, erhalten in der Bundesrepublik Fluor in Kombination mit Vitamin D als tägliches Supplement. Mit der Einführung der Fluorprophylaxe ist die Zahnkaries bei Kindern zurückgegangen. [1] Die orale Aufnahme von Fluor wird allgemein als sicher betrachtet, wenn die entsprechenden Dosisempfehlungen der pädiatrischen und zahnärztlichen Fachgesellschaften eingehalten werden.
Im Überschwang der erfolgreichen Kariesprävention wurde das Risiko einer Fluortoxizität im Niedrig-Dosisbereich bisher zu wenig wahrgenommen. [2, 3]
Die aktuellen Ergebnisse experimenteller und epidemiologischer Studien haben das Interesse an der Fluortoxizität erneut geweckt, da sich gezeigt hat, dass bereits geringe Fluor-Dosen mit den Zellsystemen interagieren und sie offenbar schädigen können.
Fluor ist ein hoch reaktives Element, das nicht mit der Funktion lebender Zellen vereinbar ist. [2] Fluoride können im Laborversuch in unterschiedlichen Dosierungen das Gehirn von Tieren schädigen und seine Lernfähigkeit beeinflussen. [4] In einer Studie an Ratten, die über drei Generationen zwischen 100 und 200ppm (100mg/L und 200mg/L) mit Fluorid angereichertes Trinkwasser erhielten, konnten mit jeder weiteren Generation zunehmend Hinweise für eine Hirnschädigung (Veränderungen an Hirnenzymen) und für somatische Veränderungen (Wachstum) gefunden werden. [5] In einer kürzlich durchgeführten cross-sektionalen Studie haben Ding et al. berichtet, dass bereits niedrige Fluoridbelastungen durch Trinkwasser (Schwankungsbreite 0,24 – 2,84mg/L), was im unteren Dosisbereich der Fluoridbelastung durch Supplemente entspricht, invers mit der kindlichen Intelligenz korreliert sind.
Choi et al. haben deshalb in einer Meta-Analyse nach der Evidenz für eine mögliche Beeinträchtigung der kindlichen Intelligenz- und Verhaltensentwicklung unter unterschiedlichen Fluoridbelastungen gesucht. [6]
Methode: Die Autoren durchsuchten Medline, Embase, "Water Resources Abstracts" und Toxnet nach relevanten Studien. Sie suchten ergänzend in der "China National Infrastructure Knowledge (CNIK) Database", da viele Studien über die Neurotoxizität von Fluor nur in chinesischen Zeitschriften veröffentlicht wurden. Insgesamt konnten 27 geeignete epidemiologische Studien mit einer hohen und einer niedrigen Fluoridbelastung (Kontrollgruppe), die über 22 Jahre publiziert worden waren, identifiziert werden. Alle Studien waren voneinander unabhängig. Als Endpunkte der Studien galten der ermittelte IQ-Wert oder andere Tests zur Messung der kognitiven Fähigkeiten. Die Autoren errechneten über alle 27 Studien die Differenz in den Endpunkten zwischen der hohen und der niedrigen Referenzbelastung mit Hilfe eines "Random Effects Models". Die durchgeführten Sensitivitätsanalysen wurden auf Studien begrenzt, in denen die Studienendpunkte gleich waren und auch gleich erfasst worden waren und in denen nur Fluor im Wasser als einzige Exposition untersucht wurde. Die weitere Prüfung der Studien mit unterschiedlichen Verfahren ergab keinen Anhalt für ein "Publication Bias".
Ergebnisse: Die gewichtete standardisierte Differenz im IQ zwischen der exponierten Bevölkerungsgruppe und der Kontrollgruppe betrug im "Random Effects Model" -0,45 (95% KI -0,56-0,35). Kinder in Gegenden mit hoher Fluoridbelastung wiesen somit einen signifikant niedrigeren IQ auf als Kinder in Gegenden mit niedriger Fluoridbelastung. Untergruppen- und Sensitivitätsanalysen ergaben ebenfalls eine inverse Beziehung zwischen Fluoridbelastung und IQ.
Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse stützen die Hypothese, dass eine erhöhte Fluoridbelastung sich negativ auf die neurologische Entwicklung und damit auf die kindliche Intelligenz auswirkt.
Kommentar: Fluor ist ein Spurenelement, das überall in der Umwelt in unterschiedlichen Konzentrationen im Trinkwasser und Nahrungsmitteln vorkommt. In Deutschland wird als einziges Lebensmittel Speisesalz mit Fluor angereichert. In manchen Ländern, wie z.B. Indien und China, nehmen die Menschen über das Trinkwasser große Mengen an Fluorverbindungen auf. Trinkwasser in Deutschland besitzt nur einen geringen Gehalt an Fluoriden. Etwa 90% des Trinkwassers besitzt < 0,25mg Fluorid pro Liter (BFR, Bundesinstitut für Risikobewertung, Information Nr. 037/2005, 12. Juli). Zusammen mit Lebensmitteln werden etwa 0,4-1,5mg pro Tag aufgenommen, zu wenig für die Prävention von Karies. Deshalb wird die systemische Gabe von Fluor entweder als Supplement oder lokal über mit Fluor angereicherte Zahnpasta empfohlen.
Während die deutschen Zahnärzte die Zahnpflege mit fluoridierter Zahnpasta mit dem Zahndurchbruch ab etwa dem 6. Lebensmonat und fluoridiertes Speisesalz als Ergänzung empfehlen, spricht sich die DAKJ (Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin) für die Gabe von 0,25mg Fluorid in Kombination mit 500 IE Vitamin D3 bereits nach der ersten Lebenswoche aus. [1, 7] Die Empfehlung für die tägliche Gesamtzufuhr von Fluor sieht vor, dass unter Standardbedingungen (Gehalt des Trinkwassers kleiner als 0,25mg Fluorid pro Liter) die Menge im Alter unter 4 Monaten 0,25mg Fluorid/Tag, zwischen 4-24 Monaten 0,5mg Fluorid/Tag, zwischen 2-4 Jahren 0,7mg Fluorid/Tag, zwischen 4-6 Jahren 1,0mg Fluorid/Tag, zwischen 6-10 Jahren 1,1mg Fluorid/Tag, zwischen 10-13 Jahren 2,0mg Fluorid/Tag und zwischen 13-19 Jahren für Jungen 3,2mg Fluorid/Tag und für Mädchen 2,9mg Fluorid/Tag beträgt. [1]
In ihrer kross-sectionalen Studie konnten Ding et al. zeigen, dass bereits eine niedrige Fluoridbelastung des Trinkwassers zwischen 0,24 – 2,84mg/L (Mittelwert 1,31±1,05mg/L) die Intelligenzentwicklung von Kindern im Alter zwischen 7 bis 14 Jahren negativ beeinflusst. [8] In einer Studie von Lu et al. wurde der IQ von 118 Kindern im Alter zwischen 10-12 Jahren, die in zwei Dörfern in China mit unterschiedlicher Fluoridbelastung (hohe Trinkwasserbelastung 3,15±0,61mg/L; niedrige Trinkwasserbelastung 0,37±0,04mg/L) aber vergleichbaren Lebensumständen wohnten, verglichen. [9] Der IQ von 60 Kindern mit einer hohen Fluoridbelastung war signifikant niedriger (IQ 92,27±20,45) als der IQ von 58 Kindern mit einer geringen Fluoridbelastung (IQ 103,05±13,86). Die Fluorid-Ausscheidung im Urin war negativ mit der kindlichen Intelligenz korreliert. Mehr Kinder in dem hoch belasteten Dorf waren geistig- oder lernbehindert (21,6%) als in dem Dorf mit niedriger Belastung (3,4%). Eine Zunahme der Ausscheidung von 1mg Fluorid pro Liter im Urin führte zu einer Abnahme des IQs von 0,59 Punkten. Die Ergebnisse von Lu et al. decken sich mit denen von Xiang, der im Vergleich zweier weiterer chinesischer Dörfer zu ähnlichen Ergebnissen kam.[9, 10] Der Einfluss von Fluoriden auf die Intelligenzentwicklung wird von Li et al. in einer weiteren Studie mit 907 Kindern im Alter zwischen 8-13 Jahren bestätigt. [11]
Diese Ergebnisse werden durch die aktuelle Meta-Analyse von Choi et al. gestützt. [6]
Die Abnahme des IQ unter erhöhter Fluor-Belastung ist in der Meta-Analyse scheinbar gering und liegt noch im Schwankungsbereich der Messfehler der IQ-Testsysteme. Die Frage nach der Relevanz dieser IQ-Veränderungen mag daher berechtigt sein. Die Messung des IQ ist aber nur ein grober Surrogat-Marker für die neurologische Entwicklung und das kindliche Verhalten. Die Forschung zu neurotoxischen Substanzen hat gezeigt, dass schon kleine Verschiebungen in der IQ-Verteilung erhebliche Auswirkungen haben können, vor allem für die, die sich am oberen oder unteren Ende der Verteilungskurve befinden. [12]
Im Rattenexperiment konnten Mullenix et al. Verhaltensänderungen der Filialgeneration nach Belastung schwangerer Tiere mit Fluor nachweisen. [13] Das Ausmaß der Verhaltensstörungen hing von der gesamten Fluoridbelastung, dem Zeitpunkt, dem Geschlecht und von der Fluorid-Konzentration in spezifischen Hirnarealen, ab. Die in dieser Studie verwandten Fluorid-Dosen entsprachen mit 0,059 bis 0,640ppm in etwa den Belastungen, denen Menschen im Rahmen der Fluorprophylaxe ausgesetzt sind.
Fluoride erhöhen im Tierexperiment die Lipidperoxidation, den oxidativen Abbau von Fetten der Zellmembranen, und vermindern die antioxidativen Enzyme im ZNS. [5] Ob auch beim Menschen, wie im Tierversuch an der Ratte nachgewiesen, unter den empfohlenen Fluoriddosierungen die antioxidativen Enzyme (Superoxiddismutase, Glutathionperoxidase, Katalase, Glutathion-S-Transferase) und der Glutathion-Spiegel im ZNS vermindert werden, kann aufgrund fehlender Daten bisher nur vermutet werden.
Die bisherigen Erkenntnisse zur Toxizität von Fluor beruhen überwiegend auf chinesischen epidemiologischen Untersuchungen mit Vergleichen zwischen hoch und niedrig belasteten Gebieten und tierexperimentellen Studien. Molekularbiologische Untersuchungen in den letzten Jahren haben gezeigt, dass Fluor einen oxidativen Stress induziert und in die Homöostase der Redox-Systeme eingreift. [3] Fluor moduliert Gene, die mit der Stress-Antwort, den Enzymsystemen, dem Zellzyklus und der Signalübertragung verbunden sind. [3]
Wenn die bisherigen Ergebnisse zur Zeit vielleicht noch keinen Anlass geben, generell von einer systemischen Fluor-Prophylaxe abzuraten, so geben sie doch berechtigten Anlass zur Sorge, da die veröffentlichten Studien alle in die gleiche Richtung, auf das Risiko einer selbst niedrig dosierten systemischen Fluoridtherapie, weisen. Sichere Fluorid-Spiegel konnten bisher noch nicht definiert werden. [2] Wir können zur Zeit auf Grund der vorhandenen Studienergebnisse die Frage nicht beantworten, ob überhaupt, und wenn, in welchem Ausmaß die bisher empfohlenen systemischen Gaben von Fluorsupplementen, mit denen entsprechend den geltenden Leitlinien der pädiatrischen Fachgesellschaften bereits eine Woche nach der Geburt begonnen werden soll, einen negativen Einfluss auf das sich in der frühen Entwicklung befindliche kindliche Gehirn, und damit auf die Intelligenzentwicklung und das spätere kindliche Verhalten ausüben. Nur weitere Studien können h ier Klarheit schaffen
1. DAKJ, Empfehlungen der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin zur Prävention der Milchzahnkaries, DAKJ, Editor. 2007.
2. Prystupa, J., Fluorine--a current literature review. An NRC and ATSDR based review of safety standards for exposure to fluorine and fluorides. Toxicol Mech Methods. 21(2): p. 103-70.
3. Barbier, O., L. Arreola-Mendoza, and L.M. Del Razo, Molecular mechanisms of fluoride toxicity. Chem Biol Interact. 188(2): p. 319-33.
4. Chioca, L.R., et al., Subchronic fluoride intake induces impairment in habituation and active avoidance tasks in rats. Eur J Pharmacol, 2008. 579(1-3): p. 196-201.
5. Basha, P.M., P. Rai, and S. Begum, Evaluation of fluoride-induced oxidative stress in rat brain: a multigeneration study. Biol Trace Elem Res. 142(3): p. 623-37.
6. Choi, A.L., et al., Developmental Fluoride Neurotoxicity: A Systematic Review and Meta-Analysis. Environ Health Perspect.
7. Gülzow, H.e.a., Leitlinie Fluoridierungsmaßnahmen. 2006, Zahnärztliche Zentralstelle Qualitätssicherung im Institut der Deutschen Zahnärzte.
8. Ding, Y., et al., The relationships between low levels of urine fluoride on children's intelligence, dental fluorosis in endemic fluorosis areas in Hulunbuir, Inner Mongolia, China. J Hazard Mater. 186(2-3): p. 1942-6.
9. Lu, Y.et al.., Effect of High-Fluoride Water on Intelligence in Children. Fluoride, 2000. 33(5): p. 74-78.
10. Xiang, Q et al., Effect of fluoride in drinking water on childrens´s intelligence. Fluoride, 2003. 36(2): p. 84-94.
11. Li, X.S., Effect of Fluoride Exposure on Intelligence in Children. Fluoride, 1995. 28(4): p. 189-192.
12. Bellinger, D.C., Interpretation of small effect sizes in occupational and environmental neurotoxicology: individual versus population risk. Neurotoxicology, 2007. 28(2): p. 245-51.
13. Mullenix, P.J., et al., Neurotoxicity of sodium fluoride in rats. Neurotoxicol Teratol, 1995. 17(2): p. 169-77.
In experimentellen Studien konnte an Säugetieren gezeigt werden, dass eine Narkose im frühen Kindesalter das Erinnerungsvermögen beeinflusst. Es ist unklar, ob diese Beobachtungen auch für menschliche Säuglinge und Kleinkinder gelten. Ein erfolgreiches Erinnern hängt von der Familiarität des Stimulus oder den Details der Erinnerung ab. Einige mit der Erinnerung zusammenhängenden Hirnstrukturen werden durch eine Narkose im Tierversuch geschädigt.
Die Autoren haben die Hypothese geprüft, ob eine Narkose im Alter von 6-11 Monaten bei menschlichen Säuglingen das Gedächtnis beeinflusst. Achtundzwanzig Säuglinge, die eine Allgemeinnarkose erhalten hatten, wurden mit gleichaltrigen Säuglingen, die keine Allgemeinnarkose erhalten hatten, verglichen. Das Erinnerungsvermögen und die Vertrautheit wurden in einem Objekt-Erkennungstest geprüft. Zusätzlich wurden der IQ und das kindliche Verhalten mit der Child Behavior Checklist gemessen.
Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder, die im Alter von 6-11 Monaten eine Narkose erhalten hatten, sich schlechter erinnern können.
Die Untersuchungs-Ergebnisse werden in einer weiteren Studie von Yan et al. bestätigt, in der nachgewiesen wurde, dass 3 oder mehr Ketamin-Narkosen die neurologische Entwicklung negativ beeinflussen.
Die Reifung des menschlichen Gehirns zieht sich über viele Jahre. Die größte Entwicklungs-Aktivität wird in den ersten 2-3 Lebensjahren beobachtet (Myelinisierung und Synapsenbildung). Im Tierversuch konnten in einem vergleichbaren Zeitfenster neuro-degenerative Veränderungen nach einer Narkose beobachtet werden. Wenn auch die Übertragung dieser Ergebnisse auf den Menschen nicht ohne weiteres vorgenommen werden darf und der endgültige Beweis für eine durch eine Narkose bedingte Hirnschädigung im Säuglingsalter noch aussteht, dürfte es bereits jetzt im kindlichen Interesse sein, nicht notwendige Eingriffe unter Narkose bei Säuglingen möglichst weit hinauszuschieben.
Stratmann, G et al. Effect of General Anesthesia in Infancy on Long-Term Recognition Memory in Humans and Rats. Nuropsychopharmacology 2014 Jun 9 (epub ahead of print)
Yan, J et al. Repeated Exposure to Anesthetic Ketamine Can Negatively Impact Neurodevelopment in Infants: A Prospective Preliminary Clinical Study. J Child Neurol 2014 Mar 20 (epub ahead of print)
Bartkowska-Śniatkowska, A et al. Do we really know the pharmacodynamics of anaestetics used in newborns, infants and children? A review of the experimental and clinical data on neurodegeneration. Anaesthesiol Intensive Ther 2014 Apr-Jun; 46(2):101-8
In vielen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass negative Erfahrungen im Mutterleib und in der frühen Kindheit die Entwicklung des kindlichen Gehirns
belasten. Bereits Säuglinge reagieren empfindsam auf ihre Umgebung. In einer aktuellen Studie haben amerikanische Autoren erstmals mit funktionellen
Kernspin-Aufnahmen (fMRI) gezeigt, dass Säuglinge im Schlaf verbale elterliche Konflikte wahrnehmen.
Im Vergleich zur normalen Umgangssprache zeigten schlafende
Säuglinge im Alter zwischen sechs und zwölf Monaten bei lauten verbalen elterlichen Konflikten eine gesteigerte neuronale Aktivierung in den mit der
emotionalen Erlebnisverarbeitung befassten Hirnregionen. Die Ergebnisse lassen uns einen Blick in das Bewusstsein des Säuglingsgehirns werfen und nach Ansicht der
Autoren vermuten, dass selbst mäßiger Stress einen Einfluss auf die Hirnfunktionen und vielleicht auch auf die Verhaltensentwicklung im Kindesalter nimmt.
Eltern
sollten grundsätzlich daran denken, Konflikte nicht im Beisein von Kindern auszutragen, denn selbst schlafende Säuglinge nehmen die emotionale Tonalität ihrer
Umgebung wahr.
Graham, AM et al. What sleeping babies hear: A functional MRI study of interparental conflict and infant' emotion processing.
Psychol Sci 2013 May 1; 24(5): 782-789.
Asthma ist die häufigste chronische Erkrankung bei Kindern. Asthma verursacht Giemen, Husten und Enge auf der Brust. Schwimmen ist eine ideale Form körperlicher
Aktivität zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und auch ein Weg zur Minderung der Krankheitsbelastung bei kindlichem Asthma.
Sorgen, dass Schwimmen die
Asthma-Symptome verschlimmern könnten, stehen einer möglichen Teilnahme am Schwimmsport im Wege. In einem aktuellen Review konnten acht Studien zum Einfluss
des Schwimmens auf Asthma-Symptome mit 262 Teilnehmern im Alter zwischen 5 und achtzehn Jahren ausgewertet werden.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Teilnahme
am Schwimmen bei Kindern und Jugendlichen, deren Asthma gut eingestellt ist, die Lungenfunktion verbessert und keine negativen Auswirkungen auf die Asthma-Kontrolle
und die Lebensqualität besitzt. Die körperliche Fitness konnte sich unter einem Schwimm-Training im Vergleich zu Probanden ohne Schwimm-Training sogar
verbessern.
Schwimmen mehrere Male die Woche, für wenigstens eine halbe Stunde, erhöhte den Einsekunden-Atemstoßwert um 100ml im Vergleich zur normalen Betreuung.
Der Unterschied entsprach in etwa der Auswirkung von niedrig dosiertem Fluticason, einem inhalativen Corticoid, auf die Lungenfunktion.
Ob Schwimmen eine bessere
und sicherere Sportart als andere ist, kann mit diesem Review nicht entschieden werden. Längere Studien mit mehr Probanden sind nach Ansicht der Autoren notwendig,
um die Langzeitauswirkungen des Schwimmens noch besser einschätzen zu können.
Beggs, S et al. Swimming training for asthma in children and adolescents aged 18 years and under. Cochrane Database Syst Rev 2013,
30 Apr; 4: CD009607.
Ärzte und Kinderkrankenschwestern bemühen sich, die postpartale Fütterung mit Fomula-Milchen einzuschränken: "Breast is best". Die "Baby Friendly Hospital
Initiative" und die amerikanische "Joint Commission's Perinatal Care Core Quality Measures" empfehlen die Elimination des postpartalen Formula-Gebrauchs
bei gesunden Neugeborenen.
Obwohl in den USA etwa 74% der Neugeborenen voll gestillt werden, werden nur noch 30% der Säuglinge im Alter von 3 Monaten voll
gestillt. Wenn auch unbestritten bleibt, dass "Breast best" ist, stellt sich trotzdem die Frage, welchen Einfluss die kurzfristige Formula-Gabe auf das
spätere Stillverhalten hat.
Da hierüber keine Studien vorliegen, haben Flaherman et al. untersucht, inwieweit eine begrenzte, ergänzende postpartale
Formula-Gabe (PFG) bis zum Einsetzen der vollen Milchproduktion einen Einfluss auf das Stillverhalten nach einer Woche und nach 1, 2 und 3 Monaten nimmt.
Sie randomisierten 40 ausschließlich gestillte Säuglinge mit einem postpartalen Gewichtsverlust von ≥5% im Alter von 24 bis 48 Stunden auf eine Kontrollgruppe,
die weiterhin nur Brustmilch, und eine Interventionsgruppe, die 10ml einer Formula-Milch über eine Spritze nach jeder Brustmahlzeit, erhielten.
Zwei von 20 Säuglingen (10%) erhielten in der Interventionsgruppe in der ersten Lebenswoche eine limitierte PFG im Vergleich zu neun von19 Säuglingen (47%)
in der Kontrollgruppe, die exclusiv gestillt werden sollten. Mit 3 Monaten erhielten 15 von19 Säuglingen (79%)in der Interventionsgruppe ausschließlich Brustmilch
im Vergleich zu 8 von 19 (42%) in der Kontrollgruppe.
Die begrenzte PFG bis zum Einsetzen der vollen Milchproduktion in der ersten Lebenswoche scheint,
den späteren Stillerfolg eher zu begünstigen als ihm zu schaden. Ein nützlicher Hinweis für die Praxis, der sich allerdings nicht mit der herrschenden Meinung
verträgt und deshalb auch in weiteren Studien bestätigt werden sollte.
Flaherman, VJ et al. Effect of Early Limited Formula on Duration and Exclusivity of Breastfeeding in At-Risk Infants: An RCT.
Pediatrics 2013 epub ahead of print
Nägelkauen (Onychophagie) kommt im Kindesalter und Adoleszentenalter als unerwünschtes Verhaltensmuster häufig vor und wird der Krankheitsgruppe der
Zwangsstörungen zugeordnet. Nägelkauen (NK) ist häufig mit anderen psychiatrischen Störungen assoziiert (Attention Deficit Hyperactivity Disorder 74,6%,
oppositionellen Verhaltensstörungen 36%, Trennungsängsten 20,6%, Enuresis 15,6%, Tic-Störungen 12,7% und Zwangsstörungen 11,1%).
Schätzungen gehen
bei Kindern im Alter zwischen 7 und 10 Jahren von einer Inzidenz des NK von 28% bis 33%, im Teenager-Alter von bis zu 45% aus. Mit18 Jahren nimmt das NK wieder
ab, obwohl es bis in das Erwachsenenalter persistieren kann.
Eine verlässlich wirksame Pharmako- oder Verhaltenstherapie konnte bisher nicht etabliert werden. Es sieht so aus, dass eine altbekannte, nebenwirkungsarme
Substanz unsere therapeutischen Möglichkeiten bei der Behandlung dieser Zwangsstörung ergänzen kann. Ghanizadeh et al. haben in einer aktuellen,
Plazebo-kontrollierten, randomisierten Doppelblind-Studie mit 42 Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 6 bis 18 Jahren den Einfluss von N-acetylcystein
(NAC) auf die Nagellänge als Surrogat-Marker für das Nägelkauen untersucht.
Die Probanden der Interventionsgruppe erhielten 800mg N-acetylcystein pro
Tag. Nach einem Monat konnten die Autoren in der Interventionsgruppe eine signifikant größere Nagellänge nachweisen. Der Unterschied war allerdings nach zwei
Monaten bei einer hohen Drop-out-Rate und der verbliebenen geringen Fallzahl nicht mehr nachweisbar. Die Studie stützt aber die Hypothese, dass NAC zumindest
kurzfristig gegen Nägelkauen hilft.
Auch Untersuchungen an Erwachsenen lassen vermuten, dass Zwangssymptome (Spielsucht, Trichtillomanie, Skin picking) durch die Gabe von NAC beeinflusst werden
können. NAC ist ein weit verbreitetes und gut verträgliches schleimlösendes Hustenmittel mit einem geringen Nebenwirkungsprofil, das als Vorläufer von Cystein
und Glutathion anti-oxidative Eigenschaften besitzt.
NAC scheint über das glutaminerge System (Belohnung/Verstärkung) Einfluss auf das Verhalten bei
Zwangsstörungen zu nehmen, wie in mehreren Studien an Erwachsenen mit Zwangsstörungen beobachtet werden konnte. Die bisherigen Ergebnisse an Kindern müssen
in weiteren Studien auch hinsichtlich der notwendigen Dosis gesichert werden, ehe sie in die Praxisroutine Eingang finden können.
Ghanizadeh, A et al. N-acetylcysteine Versus Placebo for Treating Nail Biting, A Double Blind Randomized Placebo Controlled
Clinical Trial. Antiinflamm Antiallergy Agents Med Chem 2013, May 6 epub
Viele Wohnungen sind feucht und an ihren Wänden hat sich Schimmel gebildet. Ein feuchtes Wohnumfeld begünstigt Atemwegserkrankungen. In einer neuen,
europaweit durchgeführten Studie wurden 7104 junge Erwachsene über 9 Jahre begleitet.
Es konnte gezeigt werden, dass die Neuerkrankungen an Asthma bei den
Probanden, die unter Wasserschäden und feuchten Wohnungen mit Schimmelbildung litten, signifikant häufiger auftraten (1,5mal) als bei Probanden mit trockenen
Wohnungen.
Die Ergebnisse bestätigen erneut die Bedeutung der Wohnumgebung für die Gesundheit und ihren Beitrag zur Erkrankung an Asthma.
Norbäck, D et al. Mould and dampness in dwelling places, and onset of asthma: the population-based cohort ECRHS. Occup
Environ Med 2013; 70: 325-331.
Milch enthält für den Körper wichtige Nährstoffe, essentielle Aminosäuren, Kalzium, Phosphor und, wenn wie in den USA und Kanada per Gesetz angereichert, auch Vitamin D. Wir gehen bei einer Nahrung, die reich an Milchprodukten ist, davon aus, dass sie uns vor einer Osteoporose schützt und das Frakturrisiko senkt. Das Frakturrisiko hängt von der mit der Pubertät erreichten Knochenmasse, von der Geometrie und Mikrostruktur des Knochens ab.
Milchprodukte erhöhen die Knochengesundheit. Ein zu hoher Milch-Konsum besitzt aber auch unerwünschte Auswirkungen, wie die aktuelle Untersuchung von Michaelsson et al. vermuten lässt. Milch ist die wichtigste Quelle für Laktose (Milchzucker). Im Darm wird Laktose durch die Lactase in D-Glucose und D-Galactose gespalten. Experimentelle Daten aus Tierversuchen lassen erkennen, dass sich D-Galactose negativ auf die Gesundheit auswirkt. D-Galactose oral oder injiziert ist ein etabliertes experimentelles Modell, um im Tierversuch das Altern zu beschleunigen. Bereits geringe Dosen von D-Galactose führen zu Veränderungen, die dem natürlichen Alterungsprozess ähnlich sind. Dazu gehört im Tiermodell eine durch oxidativen Stress verkürzte Lebensspanne, eine chronische Entzündung, eine Neurodegeneration, eine verminderte Immunantwort und genetische Veränderungen.
Schwedische Autoren haben in einer Kohorten-Studie an 45.339 Männern (im Alter zwischen 45-79 Jahren zu Studienbeginn 1997) und 61.433 Frauen (im Alter zwischen 39-74 Jahren zu Studienbeginn 1987-1990) das Nahrungsverhalten an Hand von Fragebögen untersucht. Dabei wurde als Ergebnisziel die Zeit bis zum Auftreten einer Fraktur oder bis zum Tod ermittelt. Während einer Beobachtungszeit von 20 Jahren wiesen Frauen, die ≥ 3 Gläser Milch pro Tag tranken (im Vergleich zu denen, die weniger als 1 Glas tranken) ein höheres allgemeines Mortalitätsrisiko (Hazard Ratio (HR) 1,9), ein höheres kardio-vaskuläres Mortalitätsrisiko (HR 1,9), ein höheres Krebsrisiko (HR1,4), ein höheres allgemeines Frakturrisiko (HR1,2) und ein höheres Hüft-Frakturrisiko (HR1,6) auf. Während des 11-jährigen Follow-up der männlichen Kohorte zeigte sich für Männer, die ≥ 3 Gläser Milch pro Tag tranken, ein erhöhtes allgemeines Mortalitätsrisiko (HR 1,1) und ein erhöhtes kardio-vaskuläres Risiko (HR 1,2). Der Milch-Konsum war außerdem mit erhöhten Biomarkern für oxidativen Stress und Entzündung in beiden Gruppen verbunden. Interessanterweise zeigten sich bei Käse und fermentierten Milchprodukten (z.B. Jogurt) diese Auswirkungen nicht.
Studien haben gezeigt, dass das Knochenwachstum in der Kindheit und der Adoleszenz mit einer ausreichenden Kalzium- und Proteinaufnahme verbunden ist. Studien sprechen für einen positiven Einfluss von Milchprodukten auf die Knochengesundheit im Kindes- und Jugendalter. Kinder mit einer IgE vermittelten Kuhmilchallergie weisen eine geringere Knochendichte und eine frühe Osteoporose auf. Der positive Einfluss der Milch mag im Erwachsenenalter abnehmen und, wie die Studie von Michaelsson et al. zeigt, bei ≥ 3 Gläsern Milch pro Tag eher negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Hier scheint die Menge des Milchkonsums eine entscheidende Rolle für die negativen Auswirkungen zu spielen, wobei dies wahrscheinlich für fermentierte Milchen nicht gilt.
Heaney, RP. Dairy and bone health. J Am Coll Nutr 2009, 28(Suppl 1): 82S-90S
Michaelsson, K et al. Milk intake and risik of mortality and fractures in women and men: Cohort studies. BMJ 2014 Oct 28, 349: g6015
Nachshon, L et al. Decreased bone mineral density in young adult IgE-mediated cow's milk-allergic patients. J Allergy Clin Immunol 2014 Nov, 134(5): 1108-1113
Weltweit wird über ein Selbstverletzungsrisiko bei Jugendlichen von 13-18% berichtet. Besonders weibliche Jugendliche scheinen, eine Neigung zur Selbstverletzung zu besitzen. In einer englischen Studie betrug bei 15-16 Jahre alten Schülern das Mädchen-Jungen-Verhältnis 11,2% versus 3,2%.
Faktoren, die bei Mädchen zu Selbstverletzungen führten, waren Selbstverletzungen bei Freundinnen, Familienmitgliedern, Drogenmissbrauch, Depressionen, Angst- und Impulsstörungen und vermindertes Selbstbewusstsein. Trotz der großen Bedeutung und hohen Prävalenz von Selbstverletzungen ist wenig über die Langzeit-Konsequenzen dieses Verhaltens bekannt. Die Selbstverletzung Jugendlicher ist für Eltern ein Alarmsignal, die sich fragen, ob dieses Verhalten möglicherweise auf spätere soziale und psychiatrische Schwierigkeiten hinweist.
Im Rahmen einer Kohorten-Studie (Avon Longitudinal Study of Parents and Children –ALSPAC–, a UK birth cohort of children born in 1991-92) haben die Autoren die Daten zu Selbstverletzungen ohne suizidale Intention ausgewertet. Daten zu Selbstverletzungen konnten von 4799 Probanden der ALSPAC-Studie erhoben werden, die einen detaillierten Fragebogen zu dieser Frage im Alter von 16 Jahren beantwortet hatten. Mit 18 Jahren wurden die erfassten Probanden erneut hinsichtlich ihres Alkohol-, Cannabis-, Zigaretten- und Drogenkonsums befragt. Ausbildungsstand und beruflicher Weg wurden zwischen 16-19 Jahren erfasst. Jugendliche, die sich mit 16 Jahren Verletzungen ohne suizidale Intentionen zufügten, wiesen ein erhöhtes Risiko für spätere psychiatrische Erkrankungen, weitere Selbstverletzungen, Drogen-Missbrauch und Verbindungen zu suizidal intendierten Selbstverletzungen auf. Das Risiko war in der Gruppe höher, die sich Selbstverletzungen zunächst ohne suizidale Intentionen beibrachten.
Wahrscheinlich suchen nur die wenigsten Jugendlichen mit Selbstverletzungen Hilfe bei Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern. Die Schätzungen gehen von weniger als 10% aus. Alle Jugendlichen, die sich selbst verletzen, bedürfen einer frühzeitigen Therapie. Sie weisen ein hohes Entwicklungsrisiko für unterschiedliche psychiatrische Erkrankungen auf.
Mars, B et al. Clinical and social outcomes of adolescent self harm: population based birth cohort study. BMJ 2014, 349:
g5954 Hawton, K et al. Deliberate self harm in adoleschents: self report survey in schools in England. BMJ 2002, 325: 1207-1211
Die deutschen Empfehlungen zur saisonalen Influenza-Impfung betreffen einen Personenkreis, der ein vermeintlich besonders hohes Erkrankungsrisiko trägt. Die Empfehlungen basieren
allgemein auf Beobachtungen und einem Experten-Konsens. Britische Autoren haben jetzt versucht, auf der Basis wissenschaftlicher Evidenz (Komplikationen im Verlauf einer Erkrankung,
die eine Krankenhaus-Aufnahme erforderlich machten) das Risiko einer Influenza oder Influenza-ähnlichen Erkrankung bei Kindern in der Primärversorgung mit einer Meta-Analyse
vorhandener Daten zu definieren.
In die Auswertung konnten 28 Studien mit 14.068 Studienteilnehmern aufgenommen werden. Kinder mit neurologischen Erkrankungen wiesen mit einer Odds
Ratio (OR) von 4,62 ein erhöhtes Hospitalisierungs-Risiko auf, (univariable Odds Ratio 4,62, 95% KI (Konfidenzintervall) 2,82-7,55), Frühgeborene eine OR von
4,33 (95% KI 2,47-7,58), Kinder mit einer Sichelzellanämie eine OR von 3,46 (95% KI 1,63-7,37), Kinder mit einer Immunsuppression eine OR von 2,39 (95% KI 1,24-4,61),
mit Diabetes eine OR von 2,34 (95% KI 1,20-4,58), Kinder jünger als 2 Jahre eine OR von 2,51 (95% KI 1,71-3,69) auf. Interessanterweise konnte für Kinder mit Asthma
(OR 1,36, 95% KI 0,82-2,26) und Kinder mit einer Adipositas (OR 0,99, 95% KI 0,61-1,62) keine Risikoerhöhung nachgewiesen werden.
Auf der Basis einer individuellen multivariablen
Analyse von Patientendaten (1612 Studienteilnehmer, vier Studien) konnte weiter gezeigt werden, dass Kinder mit mehr als einem Risikofaktor ein höheres Hospitalisierungsrisiko
aufweisen als Kinder mit nur einem Risikofaktor. Dieses Risiko erhöhte sich, wenn Kinder unter zwei Jahren in die Auswertung eingeschlossen
wurden.
Frühgeburtlichkeit ist ein neuer Risikofaktor für eine Influenza-assoziierte Komplikation bei Kindern. Frühgeborene sollten in die Impfempfehlungen als Risiko-Gruppe eingeschlossen werden.
Die Autoren plädieren auch für den Einschluss von Kindern mit neurologischen Erkrankungen, Sichelzellanämie, Immunsuppression, Diabetes und von Kindern unter zwei Jahren. Eine weitere
aktuelle Studie hat gezeigt, dass die Grippe-Schutzimpfung lebensbedrohliche Komplikationen einer Influenza-Infektion signifikant reduziert. Es kann deshalb nicht falsch sein, dass
die amerikanischen CDC im Gegensatz zur deutschen STIKO allen Säuglingen ab 6 Monaten, Kindern und Erwachsenen, die Impfung gegen Grippe empfehlen.
Gill, PJ et al. Identification of children at risk of influenza-related complicatio: ns in primary and ambulatory care: a systematic review and meta-analysisi. The Lancet
Respiratory Medicine 2014 4 December (epub ahead of print)
Ferdinands, JM et al. Effectiveness of influenza vaccine against life-threatening RT-PCR-confirmed influenza illness in US children, 2010-2012. J Infect Dis 2014 Mar 26
(epub ahead of print)
In den USA und Kanada wird Kuhmilch, im Gegensatz zu Deutschland, per Gesetz mit Vitamin D (40 IU -1μg- Vitamin D/100 ml) angereichert.
In beiden Ländern wird in den letzten Jahren eine Tendenz beobachtet, Kuhmilch durch andere, Milch- oder Milch-ähnliche Getränke pflanzlichen oder tierischen
Ursprungs zu ersetzen. Diese Getränke unterliegen im Gegensatz zur Kuhmilch nicht den gesetzlichen Anforderungen der Vitamin D-Supplementierung.
Kanadische Autoren haben jetzt die Verbindung zwischen dem Konsum von Nicht-Kuhmilch-Getränken und Vitamin D-Mangel in einer cross-sektionalen Studie an 2831 Kindern
zwischen 1 und 6 Jahren untersucht. Die Interaktion zwischen dem Konsum von Nicht-Kuhmilch und Kuhmilch war signifikant (p=0,03). Das Trinken von Nicht-Kuhmilch-Getränken
war mit einem Abfall des Serum-25-Hydroxy-Vitamin D-Spiegels von 4,2 nmol/L (1,68 ng/ml) pro konsumierter Tasse Milch (250ml) verbunden. Kinder, die nur Nicht-Kuhmilch-Getränke
tranken, besaßen ein höheres Risiko, mit ihrem Serum-25-Hydroxy-Vitamin D-Spiegel unter 50 nmol/L (kleiner 20 ng/ml) zu sinken, als Kinder, die nur Vitamin D-angereicherte
Kuhmilch tranken (Odds Ratio 2,7, 95% KI 1,6-4,7).
Der Konsum von nicht mit Vitamin D angereicherter Kuhmilch ist mit erniedrigten Serum-25-Hydroxy-Vitamin D-Spiegeln im frühen Kindesalter
verbunden.
Mehr als 90% des menschlichen Vitamin D-Bedarfs wird über das Sonnenlicht (UVB-Strahlung) gedeckt. Mit dem herannahenden Winter verringert sich ab dem 37. Breitengrad Nord
der Einfallswinkel der Sonne, und die für die Vitamin D-Synthese verantwortlichen UVB-Strahlen (280-315nm) werden zunehmend von der Ozonschicht der Erde absorbiert. Zwischen
dem 42. (Boston, USA) und 52. (Edmonton, Kanada) Breitengrad Nord ist diese Absorption so vollständig, dass zwischen den Monaten November bis Februar (Boston) und Oktober bis
März (Edmonton) kein Vitamin D3 in der exponierten Haut gebildet wird. Mit Vitamin D-Mangelzuständen muss daher auch in Deutschland (Breitengrad 47-55° Nord) vor allem im
Winter bei Kindern und Erwachsenen gerechnet werden. Dies konnte in mehreren Untersuchungen gesichert werden. Die amerikanische, kanadische und auch die deutsche Bevölkerung
sind deshalb besonders im Winter auf Vitamin D-haltige Nahrung oder entsprechende Vitamin D-Supplemente angewiesen.
In Deutschland wird die handelsübliche Kuhmilch nicht mit
Vitamin D angereichert. Eine Vitamin D-Supplementierung wird bei Säuglings-Formula-Milchen und bei Kindermilchen durchgeführt. Für eine Kindermilch, die zu Studienzwecken
mit 2,85 μg/100ml angereichert worden war, konnte gezeigt werden, dass mit einem medianen täglichen Milchkonsum von 234 ml (entsprechend 7,1 μg Vitamin D) der winterliche Abfall
des Vitamin D-Serumspiegels unter 20 ng/ml in der Interventionsgruppe verhindert werden konnte, ohne im Sommer zu Überdosierungen zu führen. Damit werden die kanadischen
Erfahrungen bestätigt, dass die Anreicherung von Milch mit Vitamin D ein sinnvoller Weg sein kann, um den auf dem 47.-55. Breitengrad hoch prävalenten Vitamin D-Mangel bei
Kindern (und vielleicht auch bei Erwachsenen) zu verhindern.
Lee, GJ et al. Consumption of non-cow´s milk beverages and serum vitamin D levels in early childhood. CMAJ 2014 Oct 20, epub ahead of
print Hower J, Knoll A, Ritzenthaler KL, Steiner C, Berwind R. Vitamin D fortification of growing up milk prevents decrease of serum 25-hydroxvitamin D concentrations
during winter: a clinical study in Germany. Eur J Pediatr. 2013 Dec;172(12):1597-605
Übergewicht und Adipositas wirken sich negativ auf die Gesundheit, auf Herz-Kreislauf-Funktionen, Diabetes und auf die Entstehung von Krebserkrankungen aus.
Schätzungen gehen davon aus, dass 64% der Frauen und 74% der Männer in den USA und 58% der Frauen und 65% der Männer in Großbritannien übergewichtig oder adipös sind.
Die Daten entsprechen auch den Ergebnissen einer deutschen "Studie zur Gesundheit Erwachsener (DEGS1)". Danach sind 53,0% der Frauen und 67,1% der Männer übergewichtig
oder adipös.
Hausärzte wären besonders geeignet, Interventionen zur Gewichtsreduktion durchzuführen und zu überwachen. Bisherige Studien wurden unter speziellen Rahmenbedingungen
durchgeführt. Jetzt haben englische Autoren einen Review zur Wirksamkeit der Verhaltensintervention auf übergewichtige oder adipöse Erwachsene in der Primärversorgung
durchgeführt. In den systematischen Review konnten 15 randomisierte, kontrollierte Studien (4539 Studienteilnehmer), die in den Praxen der Primärversorgung durchgeführt
worden waren, eingeschlossen werden. Ergebnisziel war die Erfassung des erreichten Gewichtsverlustes bei einer mindestens 12-monatigen Beobachtungszeit. Die zusammengefassten,
sehr heterogenen Ergebnisse ergaben nach 12 Monaten einen mittleren Gewichtsverlust von -1,36 kg, nach 24 Monaten von -1,23 kg. Die Autoren folgern aus ihren Ergebnissen,
dass Verhaltensinterventionen in der Primärversorgung nur geringe Auswirkungen auf das Gewicht haben und damit keinen wesentlichen Einfluss auf die langfristige Gesundheit haben dürften.
Booth, HP et al. Effectiveness of behavioural weight loss interventions delivered in a primary care setting: a systematic review and meta-analysis.
Fam Pract 2014 Oct 8Mensink, GBM et al. Übergewicht und Adipositas in Deutschland. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1).
Bundesgesundheitsbl 2013, 56: 786-794
Nicht-kalorische künstliche Süßstoffe (NKKS) gehören zu den weltweit am meisten verwendeten Nahrungszusätzen (Saccharin, Sucralose oder Aspartam), die von übergewichtigen,
aber auch normalgewichtigen Personen zur Vermeidung des kalorienreichen Zuckers über Nahrungsmittel und Getränke konsumiert werden. Sie werden zur Gewichtsabnahme besonders
für Personen mit einer Glucose-Intoleranz (Vorstufe des Diabetes und der Adipositas), mit einem Typ 2-Diabetes mellitus oder mit einem metabolischen Syndrom empfohlen.
Die meisten NKKS passieren den menschlichen Magen-Darm-Trakt, ohne durch die gastro-intestinalen Enzyme verdaut zu werden. Die Funktionen und die Zusammensetzung der
Darmbakterien, die eine zentrale Rolle bei der Regulation vieler Stoffwechselprozesse spielen, werden durch die aufgenommenen Nahrungsmittel moduliert.
Veränderungen der Mikrobiota wurden in mehreren Studien mit einer Adipositas assoziiert. Israelische Forscher haben in einer aktuellen Studie den Einfluss der im Handel erhältlichen
Formulierungen von Saccharin, Sucralose und Aspartam auf die Glucose-Homöostase untersucht. Sie konnten für alle drei NKKS zeigen, dass sie die Entwicklung einer Glucose-Intoleranz
durch Veränderungen der Zusammensetzung in den Darmbakterien fördern. Diese Veränderungen konnten durch Transplantation der Mikrobiota auf keimfreie Mäuse übertragen werden,
deren Glucose-Toleranz sich dann ebenfalls veränderte. Dies konnte verhindert werden, wenn die Mäuse zuvor Antibiotika erhalten hatten, was die Rolle des Mikrobioms bei der
Entstehung der Glucose-Intoleranz beweist.
Das Forscherteam konnte diese Veränderungen im Glucose-Stoffwechsel nicht nur an Mäusen, sondern auch an Menschen nachweisen. In einer Kohorte von 381 nicht-diabetischen
Probanden, die einen Fragebogen zum NKKS-Konsum beantworteten, wiesen die Probanden mit dem höchsten Konsum höhere Nüchtern-Glucose-Spiegel, eine schlechtere Glucose-Toleranz
und ein verändertes Profil der Mikrobiota auf. Dieser Unterschied blieb auch nach Berücksichtigung des BMI (Body-Mass-Index) erhalten. In einem weiteren Versuch erhielten
7 junge Versuchspersonen (ohne Konsum von NKKS in der Vorgeschichte) über eine Woche die akzeptierte Höchstmenge (amerikanische Food and Drug Administration (FDA)) für die
tägliche Saccharin-Aufnahme. Bei 4 von 7 Probanden zeigte sich nach einer Woche eine gestörte Glucose-Regulation. Die nicht auf das Saccharin reagierenden Probanden wiesen
keine Veränderungen im intestinalen Mikrobiom auf. Ein fäkales Transplantat von 2 NKKS-Respondern auf keimfreie Mäuse erzeugte, im Gegensatz zu einem Transplantat von zwei
NKKS-Non-Respondern, ein vergleichbares mikrobiotisches Profil und eine gestörte Glucose-Toleranz wie bei einem Transplantat von Saccharin konsumierenden Mäusen auf keimfrei
Mäuse.
Die Autoren konnten für alle 3 untersuchten Probanden, die NKKS erhalten hatten, eine Verbindung zwischen dem NKKS-Konsum und einer intestinalen Dysbiose mit metabolischen
Veränderungen bei Mäusen und Menschen nachweisen. Sie stellen mit ihren Ergebnissen den Konsum von NKKS in Frage.
Suez, J et al. Artificial sweeteners induce glucose intolerance by altering the gut microbiota. Nature 2014 Oct 09, 514: 181-186
Alle Lebewesen besitzen eine "biologische Uhr", die ihnen die Anpassung der eigenen biologischen Vorgänge an unterschiedliche Lebensumstände ermöglicht.
Melatonin ist der wichtigste Regulator des Schlaf-Wach-Rhythmus und wird in der Epiphyse des Gehirns als "Hormon der Dunkelheit" gebildet und im Schlaf hochreguliert.
Die Unterbrechung des circadianen Rhythmus kennzeichnet die für viele Menschen in unserer Zeit veränderten Lebensumstände. Dies gilt besonders z.B. für regelmäßige
Schichtarbeiter. Vielflieger leiden nach häufigem Durchqueren mehrerer Zeitzonen unter einem Jetlag. Die unregelmäßigen Veränderungen des Umgebungslichtes verhindern
eine stabile Anpassung der molekularen Uhr (des circadianen Rhythmus), die eine zentrale Rolle bei der Regulierung körperlicher Funktionen spielt. Die häufige Störung
des circadianen Rhythmus ist mit einem erhöhten Risiko für Adipositas, Diabetes, Krebs, kardiovaskuläre Erkrankungen und einer erhöhten Infektanfälligkeit verbunden.
Forscher des Weizmann-Instituts in Israel haben in einer Studie gezeigt, dass sich auch der Rhythmus der Mikrobiota (Gesamtheit aller im Darm lebenden Bakterien) von Mäusen
als auch von Menschen im Tagesrhythmus verändert. Die Ausschaltung der molekularbiologischen Uhr oder die experimentelle Herbeiführung eines Jetlags führen bei Mäusen zu einer
veränderten Zusammensetzung der Darmbakterien. Dies begünstigt bei Mäusen die Entwicklung einer von der Nahrung unabhängigen Glucose-Intoleranz und einer Adipositas, die auf
keimfreie Mäuse durch eine fäkale Transplantation übertragen werden kann. Bei Mäusen, denen bei Induktion des Jetlags Antibiotika verabreicht wurden, konnten
Glucose-Stoffwechselstörungen und Adipositas vermieden werden. Die an Mäusen gewonnenen Beobachtungen konnten auch bei Menschen nachgewiesen werden. Keimfreie Mäuse, auf die
menschlicher Stuhl von Personen mit einem Jetlag übertragen wurde, wiesen eine höhere Gewichtszunahme mit vermehrter Fettbildung und höheren Glucose-Spiegeln auf.
Veränderungen im Tag-Nacht-Rhythmus durch Schichtarbeit oder Jetlag beeinflussen das Mikrobiom. Sie führen zu Veränderungen der Homöostase und destabilisieren das biologische
Gleichgewicht zwischen der Darm-Mikrobiota und dem menschlichen Organismus. Das ist, soweit wir heute wissen, mit metabolischen Veränderungen, hauptsächlich der Glucose-Toleranz
und des Gewichtes, verbunden.
Thaiss, CA et al. Transkingdom Control of Microbiota Diurnal Oscillations Promotes Metabolic Homeostasis. Cell 2014, 159: 514-529
Der Schlaf spielt eine wichtige Rolle beim Lernen und bei der Konsolidierung des erworbenen Wissens. Im Schlaf werden die Neurone in den zentralen Netzwerken
reaktiviert, die auch im Wachzustand aktiv waren. Die wichtigen Funktionen neuronaler Aktivität bei der Ausbildung neuer Synapsen
(Verbindungs-Spalt zwischen den einzelnen Nervenzellen) lassen vermuten, dass der Schlaf einen modulierenden Einfluss auf deren Aktivität ausübt.
Im Wachzustand wird die synaptische Aktivität hochreguliert, während sie im Slow-Wave- Schlaf (im Nicht-Traumschlaf) herunterreguliert wird.
Im sich entwickelnden Mäuse- Gehirn wird im Schlaf ein Synapsen-Verlust beobachtet. Offenbar ist der Schlaf für die Downregulation (Herunterfahren) der in der Wachphase
hochregulierten Synapsen von Bedeutung. Der Einfluss des Schlafes auf die Synapsen stützt einerseits die Hypothese, dass der Schlaf für die Down-Regulation der Synapsen,
die im Wachzustand hochreguliert wurden, eine wichtige Rolle spielt. Andererseits lassen andere Studien erkennen, dass die synaptische Plastizität in den ersten Stunden
des Schlafes erhöht ist, was auch für die ersten Lebensjahre gilt, in einer Zeit, in der das Schlafbedürfnis am größten ist. Die aktuellen Studien stützen die Hypothese,
dass der Schlaf die synaptische Plastizität, das Lernen und das Erinnerungsvermögen fördert.
Unterschiedliche Neurone bilden als Antwort auf verschiedene motorische Übungen neue dendritische Dornen (Synapsen). Die Dichte und Form der dendritischen Dornen
korreliert mit der post-synaptischen Dichte. Die Morphologie (Oberflächenbeschaffen-heit) der dendritischen Dornen beeinflusst die synaptische Stärke und das Lernen.
Die Autoren Yang et al. konnten nachweisen, dass motorische Aktivität die Bildung postsynaptischer Dornen in der 5. Schicht der Pyramidenbahnzellen fördert.
Die während einer motorischen Übung aktivierten Neurone werden im slow-wave (ruhigen) Schlaf reaktiviert. Die Unterbrechung dieses Vorgangs verhindert die Ausbildung
spinaler Dornen (Synapsen). Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass der Schlaf eine Schlüsselrolle bei der Bildung und Stabilisierung lernabhängiger Synapsen spielt.
Vielleicht hatten die Großmütter doch Recht, die empfahlen, vor einer Prüfung ausreichend zu schlafen und das Buch unter das Kopfkissen zu legen.
Yang, G et al. Sleep promotes branch-specific formation of dendritic spines after learning. Science 2014 , 6 June, 344(6188):
1173-1178 Arellano, JI et al. Ultrastructure of dendritic spines: correlation between synaptic and spine morphologies. Frontiers in Neuroscience 2007, 1(1): 131-143
Lernen trägt zur Ansammlung von Informationen und zur Festigung von Erinnerungen im Gehirn bei. Lernaktivitäten lösen neuronale Veränderungen im Gehirn aus.
Vorhandene Verbindungen (Synapsen) werden gestärkt und möglicherweise (das konnte noch nicht gesichert werden) werden auch neue Neurone gebildet. Bisher
wurden Neurone für die einzigen Zellen des Nervensystems gehalten, die am Lernprozess und an der Steuerung des Verhaltens teilnehmen. Diese Vorstellung
wird jetzt in Frage gestellt. Ein Teil der Glia, des Stützgewebes des Nervensystems, die Oligodendrozyten, übernehmen offenbar Aufgaben, die in ihrer Bedeutung
bisher noch nicht bekannt waren.
Oligodendrozyten (ODZ) werden den Gliazellen des Stützgewebes zugeordnet. Sie kommen nur im Zentralnervensystem (ZNS) vor. Ihre Zellfortsätze bilden Markscheiden
aus Myelin und umhüllen die Axone der Nervenzellen, wodurch diese elektrisch isoliert werden. Die Myelinisierung der neuronalen Axone im ZNS ist unterschiedlich,
einige Neurone sind gar nicht myelinisiert, einige inkomplett und andere hoch-myelinisiert.
Die Myelinisierung (Bildung der weißen Substanz) des Gehirns beginnt bereits intra-uterin (im Mutterleib). Oligodendrozyten-Vorläufer-Zellen (OVZ) bilden ODZ,
die Axone ummanteln und zur Reifung des Gehirns führen. Dieser Prozess findet überwiegend in den ersten Lebensjahren statt. OVZ finden sich nach Beendigung der Myelinisierung
in hoher Dichte auch noch im Gehirn Erwachsener. Sie haben die Fähigkeit, sich zu reifen, Myelin-produzierenden ODZ nach Verletzungen oder Entmarkungen (z.B. multiple Sklerose) zu entwickeln. Die Bedeutung dieser Funktionen für die Plastizität des Gehirns ist umstritten geblieben.
Bisher wurde vermutet, dass sich die Myelinisierung nach der Hirnreifung kaum noch verändert. Das scheint falsch zu sein. Bildgebende Verfahren und Tierstudien haben gezeigt,
dass unterschiedliche Formen des Lernens die Myelinisierung im Gehirn verändern können.
In kürzlich veröffentlichten Tierstudien konnte nachgewiesen werden, dass Myelin wesentlich formbarer ist, als man vermutet hatte.
McKenzie et al. haben untersucht, ob im adulten (erwachsenen) Säugetier-Gehirn gebildete ODZ für das Gehirn eine Bedeutung besitzen. Sie konnten im Tiermodell
nachweisen, dass nicht nur Nervenzellen, sondern eben auch ODZ, eben ein nicht-neuronaler Zelltyp, zum Lernen komplexer motorischer Abläufe erforderlich sind. Mäuse,
die in ein kompliziertes Laufrad mit unterschiedlichem Stufenabstand gesetzt werden, reagieren mit der Bildung neuer OVZ und reifer Myelin-bildenden ODZ im Corpus callosum.
Das Corpus callosum bildet eine an Axonen (Ausläufer von Nervenzellen) reiche neuronale Brücke, die beide Hirnhälften miteinander verbindet und somit den Informationsaustausch
zwischen beiden Hirnhälften ermöglicht. Mäuse, bei denen die Möglichkeit zur Bildung neuer OVZ ausgeschaltet worden war, ohne die bestehende Myelinisierung zu beeinflussen,
hatten Schwierigkeiten, eine effektive Laufstrategie im Laufrad zu entwickeln. Hatten die Mäuse allerdings vor der Abschaltung des Regulator-Gens (Myrf)
zur Myelinisierung ein Lauftraining erhalten, konnten sie auch nach Abschaltung des Gens auf ihr Training zurückgreifen und sich wie normale Mäuse verhalten.
Die Autoren schließen aus ihren Untersuchungen, dass eine aktive Myelinisierung zum Erlernen motorischer Fähigkeiten notwendig ist. Sie beziehen sich dabei auch
auf weitere Untersuchungen, in denen gezeigt werden konnte, dass das Erlernen sensomotorischer Fähigkeiten zu einem Aktivitätsanstieg, zur Zellteilung und Differenzierung
von OVZ-Zellen führt. Auch MRT-Untersuchungen haben gezeigt, dass die Stimulation durch ein reiches soziales Umfeld, durch das Erlernen sensomotorischer Fähigkeiten,
durch das Trainieren des Arbeitsgedächtnisses, zum Beispiel beim Erlernen einer neuen Sprache, zu strukturellen Veränderungen der weißen Substanz führt.
Wir stehen am Anfang des Verständnisses zum Einfluss von Myelin auf kognitive Funktionen. In welchem Ausmaß werden kognitive Funktionen durch Veränderungen der
Myelinisierung beeinflusst? Die Fähigkeit der OVZ, sich zu ODZ zu entwickeln, nimmt mit dem Alter ab. Ist das vielleicht einer der Gründe für den kognitiven Abbau
im Alter? Die bisherige Erkenntnis, dass ODZ die sensomotorischen Funktionen und wahrscheinlich auch die kognitiven Funktionen beeinflussen können, habe zu einem
aufregenden Paradigmen-Wechsel geführt, der neue Perspektiven zum Kognitionsverlust im Alter und zur Behandlung neurologischer Erkrankungen eröffne, schreiben die
Kommentatoren der Studie.
McKenzie, Ian A et al. Motor skill learning requires active central myelination. Science 17 October 2014, 346 (No 6207):
18-322 Long, P, G. Corfas. To learn is to myelinate. Science 17 October 2014, 346 (No 6207): 298-299
Die Zahnfleischentzündung (Periodontitis) gehört zumindest bei Erwachsenen zu den häufigsten chronisch entzündlichen Erkrankungen. In Großbritannien sind 60% der über 65-jährigen betroffen. Die Periodontitis führt zu Zahnverlust, Störung der Kaufunktionen und damit auch zu einer sich verschlechternden Ernährung. Die Erkrankung kann bereits im Kindes- und Jugendalter (besonders bei Adipositas und schlechter Mundhygiene) beginnen und entwickelt sich oft schleichend. Oft vergehen Jahrzehnte bis sie diagnostiziert und behandelt wird.
Die Periodontitis entwickelt sich aus einem pathologischen Biofilm unterhalb des Zahnfleischrandes. Dieser Biofilm provoziert bei empfänglichen Personen eine verstärkte entzündliche Reaktion des Zahnfleisches, die den Knochen um die von der Entzündung betroffenen Zähne auflöst, was zu einem späteren Zahnverlust führt. Die immunologische Antwort der Betroffenen auf den mikrobiellen Befall ist zum Teil genetisch terminiert, wird aber erheblich durch Lebensstil-abhängige Faktoren wie Rauchen, Diabetes und Zuckerkonsum beeinflusst. Die Zahnfleischentzündung ist, unabhängig davon, auch mit systemischen entzündlichen Erkrankungen assoziiert. Dazu gehören Alter, kardio-vaskuläre Erkrankungen, rheumatische Erkrankungen, der Typ 2-Diabetes, die Adipositas, chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen und chronische Nierenerkrankungen. In einer longitudinalen Datenanalyse von 12 Studien konnte ein Zusammenhang zwischen arteriosklerotischen kardio-vaskulären Erkrankungen und der Periodontitis nachgewiesen werden. Der stärkste Zusammenhang zeigte sich bei jüngeren Menschen, bei Menschen >65 Jahre ging dieser Zusammenhang verloren.
Obwohl die epidemiologischen Daten noch keinen Kausalzusammenhang beweisen, spricht einiges für eine ursächliche Verbindung. Mundkeime haben beim Essen oder Zähneputzen einen täglichen Kontakt mit dem Gefäßsystem. Die Keim-Menge und –Zusammensetzung sind im Vergleich zu gesundem Zahnfleisch bei Zahnfleischentzündungen erhöht und verändert. Darüber hinaus konnten Zahnfleischkeime in atheromatösen Plaques nachgewiesen werden. Es konnte jedoch noch nicht bewiesen werden, dass Bakterienisolate aus Plaques Atherome induzieren. Bei Patientienten mit Periodontitis sind die inflammatorischen Marker (CrP, IL-6) erhöht. In einem Konsens stellen die EFP (European Federation of Periodontology) und die AAP (American Academy of Periodontology) fest, dass eine Periodontitis das Bakteriämie-Risiko erhöht und dass dadurch zur Entzündung führende Signalpfade aktiviert werden. Hierdurch könnte sich das Arteriosklerose-Risiko erhöhen.
Die Zahnfleischentzündung ist eine bei Jung und Alt häufig vorkommende und mit geringen Kosten behandelbare Erkrankung, die wahrscheinlich größere Auswirkungen auf unsere allgemeine Gesundheit besitzt als bisher nachgewiesen werden konnte.
Es mehren sich die Hinweise, dass Zahnfleischentzündungen mit Vitamin D-Mangel-Zuständen assoziiert sind. Die menschlichen Gingiva-Epithelzellen produzieren Peptide wie ß-Defensine und Cathelicidin (LL37). In mehreren klinischen und experimentellen Studien konnte gezeigt werden, dass Vitamin D die Expression von LL37 steigert und zu einer Verbesserung der Schleimhautimmunität führt. Bei der hohen Prävalenz subklinischer Vitamin D-Mangelzustände sollten Zahnärzte ihre Patienten auf diesen Zusammenhang aufmerksam machen.
Chapple, ILC. Time to take periodontitis seriously. The benefits of treatment are likely to exceed the costs. BMJ 2014; 348: g2645
Dietrich, T et al. The epidemiological evidence behind the association between periodontitis and incident atherosclerotic cardiovascular disease. J Clin Periodontol 2013; 40(S14): 114-118
Tonetti, MS, Van Dyke, TE. Periodontitis and antherosclerotic cardiovascular disease: consensus reportof the joint RFP/AAP workshop on periodontitis and systemic diseases. J Clin Periodontol 2013; 40(S14): 24-29
McMahon, L et al. Vitamin D-mediated induction of innate immunity in gingival epithelial cells. Infect Immun 2011 Jun; 79(6): 2250-2256
Miley, DD et al. Cross-sectional study of vitamin D and calcium supplementation effects on chronic periodontitis. J Periodontol 2009 Sept; 80(9): 1433-1439
Kardiovaskuläre Erkrankungen gehören zu den weltweit hoch-prävalenten Gesundheitsproblemen und beeinflussen Morbidität und Mortalität. Bisherige Studien haben gezeigt, dass die Endothelfunktionen die vaskuläre Homöostase und damit das kardiovaskuläre Risiko beeinflussen. In diesem Zusammenhang ist der an Flavonoiden reiche Kakao von besonderem Interesse. Untersuchungen haben gezeigt, dass Kakao die koronare Dilatation über eine größere Bioverfügbarkeit von NO (Stickstoffmonoxid) verbessert und die Reaktivität der Blutplättchen vermindert.
Damit hat eine Diät, die reich an Flavonoiden ist, das Potenzial, die kardiovaskuläre Gesundheit zu verbessern. Hat der Konsum dunkler Schokolade auch einen positiven Einfluss auf den Kreislauf junger und gesunder Menschen?
Die Autoren haben eine randomisiert kontrollierte Studie an 60 gesunden Probanden durchgeführt, die in zwei Gruppen eingeteilt wurden: Eine Kontrollgruppe (CG; n=30) und eine Interventionsgruppe (IG; n=30). Die IG nahm eine tägliche Dosis von 10 g dunkler Schokolade (>75%) über einen Monat zu sich. Der Blutdruck (blood pressure, BP), die über den Blutfluss regulierte Gefäßerweiterung (flow-mediated dilation, FMD), der arterielle Steifheitsindex (arterial stiffness, ASI), die arterielle Pulsgeschwindigkeit (pulse wave velocity, PWV) und die Pulswellen-Analyse (pulse wave analysis, PWA) wurden zu Beginn der Studie, nach einer Woche und nach der Interventionsperiode (nach einem Monat) gemessen.
Die PWV nahm von 6,13±0,41 m/s auf 5,83±0,53 m/s (P=0,02), der ASI von 0,16±0,01 auf 0,13±0,01 (P kleiner 0,001) ab. Die FMD nahm nach der Intervention um 9,3% zu. Im Vergleich zur Interventionsgruppe ergaben sich bei der Kontrollgruppe erwartungsgemäß keine Veränderungen. Die Autoren konnten zeigen, dass bereits 10 g dunkler Schokolade mit einem Kakao-Gehalt von >75% zu einer signifikanten Verbesserung der Endothelfunktionen bei gesunden jungen Erwachsenen führt.
Pereira, T et al. Central arterial hemodynamic effects of dark chocolate ingestion in young healthy people: a randomized and controlled trial. Cardiol Res Pract 2014; 2014: 945951
Mehrere Studien haben gezeigt, dass Kinder nach einer Adeno-Tonsillektomie (ATE) mehr als erwartet an Gewicht zunehmen. In einer aktuellen Studie haben Autoren untersucht, ob sich die bisherigen Beobachtungen aus observationalen Studien bei Kindern mit einer obstruktiven Schlafapnoe (OSA), die adeno-tonsillektomiert wurden, bestätigen lassen.
464 Kinder im Alter zwischen 5-9,9 Jahren mit OSA wurden auf zwei Arme, frühe ATE oder aufmerksames Beobachten bei symptomatischer Therapie, randomisiert. Zu Beginn der Studie und nach 7 Monaten wurden die anthropometrischen Daten bei allen Probanden ermittelt und eine Polysomnographie durchgeführt.
Während der Beobachtungszeit nahm der BMI z-score in beiden Gruppen zu, in der frühen ATE-Gruppe jedoch mehr als in der Beobachtungsgruppe (0,31 versus 0,13; P kleiner 0,001). Ein höherer Anteil der Kinder, die früh adeno-tonsillektomiert wurden, entwickelten im Verlauf der 7 Monate eine Adipositas (52% versus 21%; P kleiner 0,05). Ethnie und Geschlecht waren nicht mit den Gewichtsveränderungen assoziiert.
Die Studie hat gezeigt, dass es bei früher ATE von Kindern mit einer OSA zu einer mehr als erwarteten Gewichtszunahme kommen kann. Dies galt selbst für Kinder, die schon bei Studienbeginn adipös waren. Die Autoren empfehlen deshalb, das Gewicht postoperativ zu überwachen. Damit werden die bisherigen observationalen Studien zum Zusammenhang zwischen ATE und Gewichtszunahme bestätigt.
Katz, ES et al. Adenotonsillectomy for Obstructive Sleep Apnea: An RCT. Pediatrics 2014 Aug; 134(2): 282-89
Die Mischung von Energie-Getränken (Energy Drinks) mit Alkohol erfreut sich einer zunehmenden Popularität bei Schülern und Studenten. Eine nicht unwidersprochen gebliebene Untersuchung von Marczinski et al. hat gezeigt, dass ein mit Alkohol angereicherter Energy Drink (ED) die Motivation und den Drang, noch mehr Alkohol zu trinken, steigert. Jetzt wurde diese Untersuchung von McKetin und Coen in einem weiteren Experiment bestätigt.
Die Autoren rekrutierten 75 Probanden im Alter zwischen 18 und 30 Jahren, die in einem Doppelblind-Versuch auf zwei Arme, randomisiert wurden. Die Teilnehmer erhielten einen Cocktail, der entweder 60 ml Wodka und Red Bull® Silver Edition als ED oder 60 ml Wodka mit einem Soda-Getränk enthielt. Beide Getränke wurden darüber hinaus mit 200 ml Fruchtsaft angereichert. Mit einem Fragebogen vor und 20 Minuten nach dem Test wurde der Wunsch nach mehr Alkohol mit dem "Alcohol Urge Questionnaire" gemessen. Darüber hinaus wurde nach diesem Test noch der "Biphasic Alcohol Effects Questionnaire"-Test und der "Drug Effects Questionnaire-Test" eingesetzt und die Alkohol-Konzentration in der Atemluft gemessen.
Im Ergebnis zeigte sich bei den Probanden, die eine Alkohol-ED-Kombination erhalten hatten, im Vergleich zu den Teilnehmern mit nur Alkohol eine signifikant höhere Zustimmung im Wunsch nach einem weiteren Cocktail. Für die durch Alkohol bedingte Stimulation, Sedierung und sonstige Reaktionen auf den Cocktail ergaben sich keine signifikanten Unterschiede.
Die von McKetin und Coen durchgeführte Studie bestätigt die Ergebnisse von Marczinski et al.. Diese Ergebnisse, die einer weiteren Bestätigung bedürfen, legen nahe, dass die Mischung von Alkohol mit einem ED das Sucht- und Intoxikationsrisiko erhöht. Die Antwort auf die Frage, warum die Alkohol-ED-Kombination, im Vergleich zum alleinigen Konsum von Alkohol, das Suchtrisiko erhöht, bleibt bisher unbeantwortet.
Marczinski, C et al. Mixing an Energy Drink with an Alcoholic Beverage Increases Motivation for More Alcohol in College Students. Alcohol Clin Exp Res 2013 February; 37(2): 276-283
McKetin, R, Coen, A. The Effect of Energy Drinks on the Urge to Drink Alcohol in Young Adults. Alcohol Clin Exp Res 2014 Jul (epub ahead of print)
Mit dem Beginn der kalten Jahreszeit beginnt auch wieder die Influenza-Saison. Die Impfung gegen die Influenza bietet immer noch den besten Schutz. Eine präsaisonale Impfung gegen die Influenza in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft schützt auch die Mutter und ihr Kind. Viele Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht geimpft wurden, können während der Influenza-Saison erkranken. Sie benötigen eine virushemmende Therapie. Wie wirksam sind die zur Therapie der Influenza eingesetzten Neuraminidase-Hemmer? In einem systematischen Review haben britische Autoren die Daten zur Wirksamkeit von Oseltamivir bei der Behandlung der Influenza zusammengetragen und ausgewertet.
Sie konnten zeigen, dass Oseltamivir in der Influenza-Prophylaxe die Anzahl der Erkrankungen reduziert. In therapeutischen Studien führt Oseltamivir in kürzerer Zeit zu einem, wenn auch geringen Rückgang der Symptome, kann aber zu Übelkeit, Erbrechen, einem erhöhten Kopfschmerz-Risiko und zu renalen und psychiatrischen Symptomen führen. Die Evidenz zur Frage der Auswirkungen auf Influenza-Komplikationen und zur Frage der Übertragungsfähigkeit der Viren unter der Therapie mit Oseltamivir ist begrenzt.
Nach Ansicht der Autoren sollte die Frage der Therapie immer unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile abgewogen werden. Es dürfte immer noch sinnvoller sein, sich gegen Influenza impfen zu lassen, als auf die Wirkung der beiden bisher zugelassenen Neuraminidase-Hemmer Oseltamivir und Zanamivir zu vertrauen.
Jefferson, T et al. Oseltamivir for influenza in adults and children: systematic review of clinical study reports and summary of regulatory comments. BMJ 2014; 348: g2545
Obwohl die Einführung der Keuchhusten-Impfung im Säuglingsalter zu einem großen Rückgang der Keuchhusten-Erkrankungen geführt hat, ist die Erkrankungs-Inzidenz vor allem bei Jugendlichen und Erwachsenen in den westlichen Industrieländern wieder angestiegen. Mit der zunehmenden Erkrankungsrate sind auch die Todesfälle bei Säuglingen unter 6 Monaten, bei denen sich noch kein ausreichender Impfschutz entwickeln konnte, auf etwa 0,2% angestiegen.
Säuglinge unter 6 Monaten tragen im Vergleich zur übrigen Bevölkerung ein 20fach erhöhtes Krankheitsrisiko, da sie in den ersten Lebensmonaten noch keinen ausreichenden Impfschutz besitzen. Mehr als 90% aller Pertussis-Todesfälle treten in dieser Altersgruppe auf. Es ist insgesamt nicht ganz klar, ob die Zunahme der beobachteten Erkrankungen auf eine vermehrte Wahrnehmung oder auf verbesserte diagnostische Methoden (z.B. polymerase chain reaction assay) zurückgeführt werden muss. Auch genetische Veränderungen des Erregers könnten eine zusätzliche Rolle spielen. Letztlich muss auch berücksichtigt werden, dass der Keuchhusten-Schutz weder nach einer Erkrankung noch nach einer Impfung lebenslang bestehen bleibt, sondern sich auf einen Zeitraum von etwa 5-8 Jahren beschränkt.
Die zunehmende Keuchhusten-Inzidenz hat die amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) veranlasst, zu empfehlen, schwangere Frauen zwischen der 27. und 36. Schwangerschaftswoche gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis mit einer Tdap-Vakzine zu impfen.
In Großbritannien wurde 2011/2012 mit 14 Todesfällen bei Säuglingen unter 12 Monaten die höchste Mortalitätsrate seit 1982 beobachtet. Im Oktober 2012 wurde deshalb als Antwort auf den Anstieg der Keuchhusten-Erkrankungen ein Keuchhusten-Impfprogramm, das die Impfung gegen Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten einschloss, für Schwangere eingeführt. Jetzt wurden die Ergebnisse dieses Impfprogramms für England veröffentlicht.
Die Autoren haben die Daten aller zwischen dem ersten Januar 2008 und dem 30. September 2013 an Keuchhusten erkrankten und stationär wegen Keuchhusten behandelten Säuglinge ausgewertet.
Die monatlichen Keuchhusten-Erkrankungen erreichten im Oktober 2012 mit 1.565 gemeldeten Fällen ihren Höhepunkt. Im Vergleich der ersten 9 Monate aus dem Jahr 2013 mit der gleichen Zeitperiode aus dem Jahr 2012 betraf der größte Rückgang (-78%) Säuglinge unter 3 Monaten (328 gemeldete Keuchhusten-Fälle im Jahr 2012 versus 72 Fälle im Jahr 2013). Bei den stationären Erkrankungen zeigte sich ebenfalls ein Rückgang von -68% (440 Krankenhaus-Aufnahmen wegen Keuchhusten im Jahr 2012 versus 140 Krankenhaus-Aufnahmen im Jahr 2013). In Verbindung mit dem "Practice Research Datalink" wurde für die Pertussis-Vakzine bei Säuglingen unter 3 Monaten eine Wirksamkeit (Effectiveness) von 91% und für Säuglinge unter 2 Monaten eine Wirksamkeit von 90% errechnet. Die Autoren vermuten, dass die große Wirksamkeit des Impfprogramms wahrscheinlich auf zwei Ursachen zurückgeführt werden muss: Zum einen der Schutz des Neugeborenen durch die Übertragung mütterlicher Antikörper, zum anderen über eine verminderte Pertussis-Exposition über die Mutter.
Es mag neben der Impfung von Schwangeren deshalb sinnvoll sein, was europäische Impfexperten vorschlagen, Tdap-Booster-Impfungen in regelmäßigen Abständen auch bei Erwachsenen durchzuführen, um die individuelle Morbidität und die Übertragung auf andere, vor allem auf noch nicht immune Säuglinge, weiter einzuschränken. Insgesamt würde mit diesen Maßnahmen auch der Herden-Schutz erhöht.
Wie sicher ist aber die Impfung von Schwangeren mit Tdap? In einer britischen observationalen Studie wurde der Schwangerschaftsverlauf von 20.074 geimpften Frauen mit dem ungeimpfter Frauen verglichen. Zwischen beiden Gruppen konnte kein Unterschied im Schwangerschaftsverlauf nachgewiesen werden. Pertussis im frühen Säuglingsalter ist mit einem hohen gesundheitlichen Risiko für die betroffenen Säuglinge verbunden. Dieses Risiko kann durch eine Impfung im letzten Drittel der Schwangerschaft und durch die Impfung der familiären Umgebung reduziert werden.
Chiapppini, E et al. Pertussis re-emergence in the post-vaccination era. BMC Infectious Diseases 2013; 13: 151
Billingsley, M. Pregnant women in UK are offered whooping cough vaccine to protect newborns. BMJ 2012; 345: e6594
Zepp, F et al. Rationale for pertussis booster vaccination throughout life in Europe. Lancet Infect Dis 2011 Jul; 11(7): 557-70
Amirthalingam, G et al. Effectiveness of maternal pertussis vaccination in England: an observational study. Lancet 2014 Jul 15 (epub ahead of print)
Donegan, K et al. Safety of pertussis vaccination in pregnant women in UK: observational study. BMJ 2014; 349g4219
Die akute Otitis media (AOM) gehört zu den häufigsten Erkrankungen im frühen Säuglings- und Kindesalter. Eine antibiotische Behandlung mindert im Vergleich zu Plazebo die Schmerzsymptome zwischen dem 2. und 7. Tag, wie in randomisierten Studien nachgewiesen werden konnte. Welchen Einfluss hat die antibiotische Behandlung auf den Paukenerguss (PE) und die damit einhergehende Beeinträchtigung des Hörvermögens? Finnische Autoren haben in einer randomisierten, Plazebo-kontrollierten Doppelblind-Studie (AOM Prevention Trial) an 84 Säuglingen und Kindern untersucht, inwieweit die Gabe von Antibiotika den Rückgang eines Paukenergusses beschleunigt.
Die Probanden wurden auf zwei Arme randomisiert und erhielten entweder 40mg/Kg Körpergewicht Amoxicillin-clavulansäure oder ein Plazebo über 7 Tage. Primäres Ergebnisziel war die Erfassung der Zeit bis zum Verschwinden des PE, definiert als ein Typ A Tympanogramm auf beiden Ohren an 2 aufeinander folgenden Tagen. Der Studienarzt führte eine Tympanometrie und Otoskopie zu Beginn der Studie, nach 3 und 7 Tagen und danach wöchentlich durch, bis beide Ohren gesund waren. Sekundäres Ziel war die Erfassung der Zeit bis zur otoskopischen Normalisierung und des Anteils der Kinder, bei denen der PE nach 14 Tagen und nach 2 Monaten noch persistierte. Ergänzend führten die Eltern jeden Tag zuhause eine Tympanometrie durch.
Der PE verschwand im Vergleich zwei Wochen (13,7 Tage) früher bei den Kindern, die antibiotisch (mittlere Zeit 2,7 Wochen, 95% KI 1,7-3,7) behandelt worden waren. In der Plazebo-Gruppe betrug die mittlere Zeit bis zur Rückbildung des PE 4,7 Wochen (95% KI 3,6-5,7). Die Otoskopie-Befunde normalisierten sich 1,4 Wochen früher als in der Plazebo-Gruppe. Am 14. Tag wiesen 69% der Kinder in der Antibiotika-Gruppe und 38% in der Plazebo-Gruppe ein normales Tympanogramm auf. Am 60. Tag litten noch 2 Kinder (5%) in der Antibiotika-Gruppe und 10 Kinder (24%) in der Plazebo-Gruppe unter einem PE.
Die Autoren konnten zeigen, dass eine antibiotische Behandlung die Dauer des PE reduziert und damit auch die mit dem Paukenerguss verbundenen möglichen Höreinschränkungen bei Kindern verbessert. Die antibiotische Behandlung mindert hiernach bei finnischen Kindern das Risiko für einen persistierenden Paukenerguss.
Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zu den Ergebnissen einer Cochrane-Analyse, in der keine signifikanten tympanometrischen Unterschiede zwischen Antibiotika- und Plazebo-Gabe mit 4 oder 6 Wochen nachgewiesen werden konnten. Die vorhandenen Daten dürften nicht dazu geeignet sein, jedes Kind mit einer AOM antibiotisch zu behandeln, um die Dauer des PE zu verkürzen. Die Entscheidung für oder gegen eine antibiotische Therapie bei einer AOM muss weiterhin sorgfältig und wahrscheinlich individuell abgewogen werden.
Venekamp, RP et al. Cochrane Database Syst Rev 2013 Jan 31; 1: CD000219
Taplainen, T et al. Effect of antimicrobial treatent of acute otitis media on the daily disappearance of middle ear effusion: a placebo-controlled trial. JAMA Pediatr 2014 Jul 1; 168(7): 635-41
Kinder werden häufig beim Haus-Kinderarzt oder in der Notfallambulanz einer Klinik wegen eines Schädel-Hirn-Traumas (SHT) vorgestellt. In den meisten Fällen bilden sich die Beschwerden innerhalb weniger Wochen zurück. Untersuchungen mit standardisierten Tests haben gezeigt, dass 2-3 Monate nach dem Ereignis die post-commotionellen Beschwerden bei den meisten Betroffenen verschwunden sind. Bei manchen Kindern und Jugendlichen halten die Beschwerden jedoch länger an. Warum dies so ist, entzieht sich bisher einer Erklärung. Die bisherigen Beobachtungen ließen vermuten, dass die Dauer der Symptom-Rückbildung mit der Schwere der anfänglichen Beschwerden assoziiert war. Dies ist plausibel, muss aber nicht unbedingt richtig sein, wie die aktuelle Studie von Grubenhoff et al. zeigt.
Die Autoren haben eine prospektive Studie an 234 Kindern und Jugendlichen zwischen 8 und 18 Jahren, die 6 Stunden nach dem Ereignis in einer Notfallambulanz vorgestellt wurden, durchgeführt und deren Rest-Symptome einen Monat nach dem SHT erfasst.
Von den 234 in die Studie aufgenommenen Probanden konnten 179 nachuntersucht werden (76%). Bei 83 der 179 nachuntersuchten Patienten (46%) konnte im Follow-up einen Monat später eine verzögerte Symptom-Rückbildung beobachtet werden. Dabei waren vor allem kognitive Funktionen betroffen. Auf 22 Patienten (12%) traf die Diagnose eines Post-Concussion-Syndroms zu. Die anfänglich beobachtete Schwere der Symptome war nach einem Monat nicht signifikant mit der verzögerten Symptom-Rückbildung assoziiert, was überraschen muss und den bisherigen Ergebnissen anderer Autoren eher widerspricht.
Physiologische und psychologische Faktoren scheinen, die Rückbildung der Symptome nach einem SHT zu beeinflussen. Offenbar reichen die akuten Symptome, wenn auch wichtige Determinanten für den weiteren Verlauf, alleine zur Erklärung der Dauer persistierender Symptome nach einem SHT nicht aus.
Grubenhoff, JA et al. Acute Concussion Symptom Severity and Delayed Symptom Resolution. Pediatrics 2014; 134(1): 54-62
Bei Patienten, die unter Schwindel leiden, lässt sich oft keine hinreichende organische Erklärung für ihr Leiden finden. In älteren Publikationen wurde auf einen möglichen Zusammenhang zwischen vestibulären und psychiatrischen Erkrankungen hingewiesen und ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Schwindel (Vertigo, V) und Benommenheit (Dizziness, D) postuliert.
Jetzt haben Autoren versucht, diesen Zusammenhang in einer cross-sectionalen Studie aufzuklären. Die 547 Studienteilnehmer mit V/D (mittleres Alter 55 Jahre, 44% männlich) wurden in einem Zentrum, das sich auf diese Erkrankungen spezialisiert hatte, untersucht.
Es wurde eine standardisierte neurologische Untersuchung und ein strukturiertes Interview zur Erfassung psychiatrischer Störungen durchgeführt. Ergänzend mussten die Studienteilnehmer einen Fragebogen beantworten, mit dem Schwindel/Benommenheit, Depressionen, Angststörungen, Somatisierungen und die Lebensqualität erfasst werden sollten.
Bei 80,8% der Patienten wurde eine organische Schwindel-Ursache diagnostiziert. Die häufigsten Ursachen waren eine vestibuläre Migräne (n=95), ein benigner paroxysmaler Schwindel (n=87) und eine Menière´sche Erkrankung (n=81). Patienten mit einer organisch bedingten V/D-Störung litten zu 48,8% unter einer begleitenden psychiatrischen Störung. Dies galt besonders für die Patienten mit einem paroxysmalen Schwindel oder einer vestibulären Migräne. Bei 19,2% der Patienten, die unter V/D litten, konnte keine organische Ursache nachgewiesen werden. Etwa die Hälfte aller V/D-Patienten litten unter psychiatrischen Auffälligkeiten, meist unter Angststörungen, Phobien, somatoformen und affektive Störungen. In der organischen V/D-Gruppe, hier handelte es sich meist um anfallsartigen Schwindel oder eine vestibuläre Migräne, wurde bei 42,5% der Patienten eine psychiatrische Co-Morbidität nachgewiesen. Patienten mit einer psychiatrischen Co-Morbidität waren durch ihren Schwindel in ihrer Lebensqualität stärker eingeschränkt als die Patienten ohne Co-Morbidität.
Die für die Patienten schlechteste Kombination war die Verbindung von nicht-organischem Schwindel und psychiatrischer Co-Morbidität. Psychiatrische Erkrankungen in der Vorgeschichte erhöhten das Risiko für eine reaktive Störung in der Folge eines vestibulären Schwindel-Syndroms.
Aus den Ergebnissen folgern die Autoren, dass alle Patienten mit einem V/D-Syndrom zum Ausschluss einer psychiatrischen Störung einer entsprechenden Diagnostik bedürfen, da die psychiatrische Co-Morbidität die Lebensqualität der Betroffenen in hohem Maße einschränkt.
Best, C et al. Psychiatric morbidity and comorbidity in defferent vestibular vertigo syndromes. Results of a prospektive longitudinal study over one year. J Neurol 2009 Jan; 256(1): 58-65
Lahmann, C et al. Psychiatric comorbidity and psychosocial impairment among patients with vertigo and dizziness. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2014 Jun 24 (epub ahead of print)
Die Prävention atopischer und allergischer Erkrankungen besitzt wegen ihres exponentiellen Anstiegs vor allem in den Industrieländern eine hohe Priorität. Als wichtige Präventions-Strategien werden die vaginale Geburt, die Förderung des Stillens, der zurückhaltende Gebrauch von Antibiotika und die Vermeidung des Tabakrauches propagiert. Die Brustfütterung wird für 6 Monate empfohlen, wobei die Beikost zwischen dem 4. und 6. Lebensmonat eingeführt werden kann. Komplexe Oligosaccharide (Zuckermoleküle) in der Brustmilch unterstützen als Präbiotika die Entwicklung einer Bifidus-Besiedlung im Darm der Neugeborenen.
Diese stimulieren eine regulatorische T-Zellen-Antwort und eine Immuntoleranz. Es gibt bisher keine Hinweise, dass Eliminations-Diäten während der Schwangerschaft einen Einfluss auf das spätere Atopie-Risiko besitzen. Teilweise oder extensiv hydrolisierte Formula-Milchen können die Atopie-Entwicklung im Säuglings- und Kleinkindalter kurzfristig beeinflussen. Im Alter zwischen 4-6 Jahren ist aber kein verlässlicher Präventions-Effekt mehr nachweisbar.
Soja oder Aminosäuren-Hydrolysate spielen ebenfalls keine Rolle in der Prävention. Auch für die Wirksamkeit der perinatalen Supplementierung mit Prä- und/oder Probiotika konnte in den bisherigen Studien kein verlässlicher Einfluss auf die Entstehung von Nahrungsmittel- oder Atemwegs-Allergien nachgewiesen werden. Eine randomisierte Studie mit mütterlicher Fischöl-Supplementierung während der Schwangerschaft ergab einen signifikanten Rückgang der atopischen Dermatitis und der Sensibilisierung gegen Eier im ersten Lebensjahr, aber keinen Präventionseffekt gegenüber Nahrungsmitteln. Die Rolle von Vitamin D ist in diesem Zusammenhang unklar geblieben.
Heine, RG. Preventing atopy and allergic disease. Nestle Nutr Inst Workshop Ser, 2014; 78: 141-53
Wird die Beziehung zwischen körperlicher Aktivität und Gesundheit durch unsere Wahrnehmung beeinflusst? Das lässt jedenfalls eine Studie annehmen. Die Autoren untersuchten in ihrer Studie 84 bei der Zimmer-Reinigung eingesetzte Hotel-Mitarbeiterinnen von 7 unterschiedlichen Hotels. Die Mitarbeiterinnen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. In der informierten Gruppe wurden die Probandinnen belehrt, dass ihre Arbeit (Reinigung der Hotelzimmer) den Anforderungen an einen gesunden Lebensstil, der sich durch eine ausreichende körperliche Aktivität auszeichnet, entspräche.
Den Probandinnen in der Kontrollgruppe wurde diese Information vorenthalten. Obwohl sich die Aufgaben nicht änderten, gaben die informierten Probandinnen nach 4 Wochen an, dass sie signifikant körperlich aktiver seien als zuvor. Im Vergleich zur Kontrollgruppe wiesen die informierten Probandinnen nach 4 Wochen eine Gewichtsabnahme, eine Senkung des Blutdrucks, des Körperfetts und des Body-Mass-Index auf. Die Autoren schließen aus ihrer Studie, dass die Wahrnehmung der körperlichen Aktivität einen Einfluss auf die Gesundheit besitzt und teilweise oder vielleicht sogar ganz über einen Plazebo-Effekt gesteuert wird.
Crum, AJ, Langer, EJ. Mind-set matters: exercise and the placebo effect. Psychol Sci 2007 Feb, 18(2): 165-71
Welches ist das optimale Übungsprogramm bei der Behandlung der Osteoarthritis des Kniegelenks? Wie häufig muss geübt und wie lange muss das Übungsprogramm durchgeführt werden, um bei Patienten Schmerzen und Bewegungseinschränkungen zu verbessern? Dies haben die Autoren der Studie in einer Meta-Analyse randomisierter Studien untersucht. Insgesamt konnten 48 Studien ausgewertet werden. In allen Studien zeigte sich jeweils für Aerobik, Widerstandsübungen und allgemeine gymnastische Übungen ein vergleichbarer Einfluss auf den Rückgang des Schmerzes.
Die Wirkung aerobischer Übungen nahm mit der Zahl der Stunden zu. Ein größerer Schmerzrückgang konnte mit Quadriceps-spezifischen Übungen als mit allgemeinen Beinübungen erreicht werden. Die Dauer der einzelnen Stunden, die Intensität, mit der die Übungen durchgeführt wurden, und die Patienten-Charakteristika ließen keinen Einfluss auf den Schmerz und das Ausmaß der von den Patienten berichteten Behinderungen erkennen. Die Ergebnisse zeigen jedenfalls, dass eine ergänzende Physiotherapie eine wertvolle Hilfe bei der Bewältigung der Schmerzen und der Bewegungseinschränkungen bei einer Osteoarthritis sein kann.
Juhl, C et al. Impact of exercise type and dose on pain and disability in knee osteoarthritis: A systematic review and meta-regression analysis of randomized controlled trials. Arthritis Rheumatol 2014 Mar; 66(3): 622-36
In welchem Verhältnis stehen wir zu unserem Partner? Nehmen wir ihn als hilfreich, als nervend oder vielleicht auch ambivalent wahr? Studien zeigen, dass, wie wir den Partner sehen, unsere Gesundheit beeinflusst. Die Studienautoren haben 136 im Mittel 36 Jahre lang verheiratete Paare im durchschnittlichen Alter von 63 Jahren und einem mittleren Haushaltseinkommen zwischen 50.000 bis 75.000$ ohne kardio-vaskuläre Vorgeschichte untersucht. Die Autoren konnten zeigen, dass abhängig davon, wie der jeweilige Partner den anderen sah oder wie beide sich gegenseitig sahen, eine Vorhersage über das Ausmaß des Fibrinogen-Anstiegs als Entzündungsmarker und über das Ausmaß der Koronararterien-Verkalkung ermöglichte.
In einer weiteren Studie wiesen andere Autoren in einer Paar-Studie (mittleres Alter 67 Jahre) nach, dass die partnerschaftliche Unterstützung zu einer besseren Einschätzung der eigenen Gesundheit und zu geringeren körperlichen Einschränkungen führt. Mehrere Studien bestätigen die allgemeine Lebenserfahrung: Eine zufriedene Partnerschaftsbeziehung beeinflusst das individuelle gesundheitliche Risiko und das Wohlbefinden.
Verheiratet zu sein, reduziert bei Männern das Risiko für eine ischämische Herzerkrankung. Ob dies auch für Frauen gelten würde, war bisher unklar. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass Frauen, die mit einem Partner in einem der Ehe vergleichbaren Verhältnis leben zwar kein verringertes koronares Risiko besitzen, aber im Vergleich zu alleinstehenden Frauen ohne eine stabile Beziehung eine geringere Mortalität nach einer ischämischen Herzerkrankung aufweisen.
Eine weitere aktuelle Studie zeigt, wie Großzügigkeit in einer Beziehung zur Stabilisierung und Zufriedenheit beiträgt. Kleine Akte der Freundlichkeit, das Zeigen von Respekt und die Bereitschaft, auch kleine Fehler in Kauf zu nehmen, sind mit Zufriedenheit in der Ehe verbunden. Mit der partnerschaftlichen Zufriedenheit sinkt auch das Trennungsrisiko.
Uchino, BN et al. Spousal Relationship Quality and Cardiovascular Risk: Dyadic Perceptions of Relationship Ambivalence Are Associated With Coronary-Artery Calcification. Psychol Sci 2014 Feb 5 (epub ahead of print)
Uchino, BN et al. Relationships and cardiovascular risk: perceived spousal ambivalence in specific relationship contexts and ist links to inflammation. Health Psychol 2013 Oct, 32(10): 1067-75
Floud, S et al. Marital status and ischemic heart disease incidence and mortality in women: a large prospective study. BMC Medicine 2014; 12: 42
Ryan, LH et al. Spousal social support and strain: impacts on health in older couples. J Behav Med 2014 Mar 13 (epub ahead of print)
Dew, J, W. Bradford Wilcox. Generosity and the Maintenance of Marital Quality. Journal of Marriage and Family Oct 2013; 75: 1218-1228
Koffein regt an und hält einige Stunden wach. Das ist die allgemeine Erfahrung. Bisher konnte in Studien gezeigt werden, dass niedrig dosiertes Koffein die Wahrnehmung in den Bereichen Aufmerksamkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit und Gedächtnis beeinflusst. Aber wird das Gedächtnis durch die bessere Aufmerksamkeit, die bessere Verarbeitungsgeschwindigkeit oder wird es durch Koffein selbst beeinflusst? Die Autoren versuchen, mit ihrer aktuellen Studie die Antwort auf diese Frage zu finden.
Sie konnten zeigen, dass Koffein zu einer Verbesserung der Gedächtnisfunktionen führt. Die Studienteilnehmer mussten sich am Tag 1 zu Gegenständen des täglichen Lebens äußern. Sie waren nicht darüber informiert, dass sie am Folgetag über die gesehenen Gegenstände befragt werden würden. Anschließend an den ersten Tag erhielten die Probanden entweder ein Plazebo oder 200mg Koffein. Am nächsten Tag wurden sie in einem Überraschungstest zu der zuvor gezeigten Bildserie befragt, die zum Teil kleine Veränderungen enthielt. Hierbei schnitten die Probanden, die 200mg Koffein erhalten hatten, im Vergleich zu den Probanden, die ein Plazebo bekommen hatten, besser ab. Die Differenzierung von ähnlichen, aber nicht gleichen Bildern, die als Muster-Separierung bezeichnet wird, erfordert eine höhere Retentionsfähigkeit für Erinnerungen.
Da das Koffein erst nach dem ersten Test verabreicht wurde, können die Ergebnisse nicht mit einer durch Koffein bedingten Steigerung der Wahrnehmung und Aufmerksamkeit erklärt werden, sondern durch eine Verbesserung des Langzeit-Gedächtnisses. Wie diese Koffein-bedingten Auswirkungen auf das Gedächtnis erklärt werden können, bleibt noch spekulativ und muss in weiteren Studien untersucht werden.
Wir hatten bereits darüber berichtet, dass einige Pflanzen den floralen Nektar mit Koffein anreichern. Pflanzen manipulieren das Erinnerungsvermögen und die Treue ihrer Bestäuber durch Koffein-haltigen Nektar. Sie sichern damit ihre Vermehrung. Offenbar kann nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Bienen das Langzeitgedächtnis durch Koffein manipuliert und verstärkt werden.
Borota, D et al. Post-study caffeine administration enhances memory consolidation in humans. Nat Neurosci 2014 Feb; 17(2): 201-3 (epub 2014 Jan 12) Wright, GA et al. Caffeine in floral nectar enhances a pollinator's memory reward. Science 2013 Mar8; 339(6124): 1202-4
Das humane Papilloma-Virus (HPV) gehört zur Familie der Papillomaviridae und befällt die Zellen von Haut und Schleimhäuten. Es sind mehr als 100 verschiedene Virustypen bekannt. Während die Infektionen der Haut zur einfachen Warzenbildung führen, können vor allem Infektionen mit onkogenen Papilloma-Viren im Bereich der Schleimhäute lang andauernde Infektionen verursachen, die unbehandelt möglicherweise zu einem Tumorleiden, Gebärmutterhalskrebs, Anal-, Penis- und Rachenkarzinom führen. Der Gebärmutterhalskrebs ist nach dem Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung bei Frauen im Alter zwischen 15-44 Jahren.
Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) berichtet von jährlich 33.000 Neuerkrankungen an Gebärmutterhalskrebs und 15000 Todesfällen.
Die Impfung gegen den Gebärmutterhalskrebs schützt vor einer Infektion mit den häufigsten Krebs-auslösenden Virusstämmen vom Typ 16 und 18, die für etwa 73% aller Erkrankungen verantwortlich sind. Die Impfung verringert zwar das HPV-Infektionsrisiko beim Sexualverkehr zwar für die HPV-Typen 16 und 18, für andere Krebs-erzeugende Papilloma-Viren bleibt das Infektionsrisiko weiter bestehen, obwohl neuere Untersuchungen einen schützenden Einfluss der Impfung auch auf einige andere onkogene HPV vermuten lassen.
Nach Einführung der Impfung gegen das humane Papillomavirus wurden vor allem elterliche Stimmen laut, die nach der Impfung eine veränderte Risikowahrnehmung und ein verändertes Sexualverhalten ihrer Kinder befürchten. Die Autoren haben in ihrer aktuellen Studie untersucht, ob diese Befürchtungen zutreffen. Junge Frauen im Alter zwischen 13 und 21 Jahren (n=339) erhielten im Anschluss an ihre Impfung sowie 2 und 6 Monate später einen Fragebogen, in dem demographische Besonderheiten, Kenntnisse und Einstellungen zur HPV-Impfung, Risikowahrnehmung und Sexualverhalten abgefragt wurden. Die Studienteilnehmerinnen wurden zu ihren sexuellen Erfahrungen und zu ihren Kenntnissen über ein sicheres Sexualverhalten befragt.
Sexualverhalten und Risikowahrnehmung wurden zu Studienbeginn und im Verlauf der folgenden 6 Monate für 2 Altersgruppen (13-15 Jahre und 16-21 Jahre) verglichen. Insgesamt 58% der Studienteilnehmerinnen berichteten über sexuelle Aktivitäten mit einem Mann oder einer Frau, 42% hatten zu Beginn der Studie noch keine sexuellen Erfahrungen. Diese hingen weitestgehend vom Alter ab. Von 99 Teilnehmerinnen ohne sexuelle Erfahrungen zu Beginn der Studie, wurden 22 nach der HPV-Impfung im Verlauf der folgenden 6 Monate sexuell aktiv. Von den sexuell zu Studienbeginn aktiven Teilnehmerinnen benutzten die meisten Kondome 2 und 6 Monate später. Eine Minderheit von 34% der Studienteilnehmerinnen hatte 2 oder mehr männliche Sexualpartner während dieses Zeitraumes.
Risikowahrnehmung und Sexualverhalten nach Beendigung der Studie unterschieden sich nicht wesentlich von den Ausgangswerten der Studie. Elterliche Sorgen, dass sich nach der Impfung das Sexualverhalten ändern könnte, scheinen, weitestgehend unbegründet zu sein.
Mayhew, A et al. Risk Perceptions and Subsequent Sexual Behaviors After HPV Vaccination in Adolescents. Pediatrics 2014; 133: 404-411
Masern gehören zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten des Menschen. Die Erreger zählen zu den Myxoviren (genauer Paramyxoviridae), zu denen auch die Mumps- und Parainfluenza-Viren gezählt werden. Die Masern-Erkrankungshäufigkeit in Deutschland ist nach Einführung der Masern-Impfung zurückgegangen. Die WHO (World Health Organization, Weltgesundheitsorganisation) hat sich zum Ziel gesetzt, bis Ende 2015 die Masern weltweit zu eliminieren. Als Voraussetzung einer erfolgreichen Masern-Elimination gilt eine dauerhafte Masern-Immunität bei wenigstens 95% der Bevölkerung.
Wenn auch die Anzahl der Masern-Erkrankungen in Deutschland seit Einführung der Meldepflicht im Jahre 2001 zurückgeht, ist die Masern-Inzidenz im Jahre 2013 in der Bundesrepublik kurzfristig auf 1721 gemeldete Fälle (21 Erkrankungen auf 1 Million Einwohner) angestiegen. Dabei waren 39% der erkrankten Patienten über 20 Jahre alt. Die höchste altersspezifische Inzidenz betraf Kinder noch im ersten Lebensjahr und einjährige Kinder (84 Erkrankungen und 97 Erkrankungen auf 1 Million).
Die vom Robert Koch-Institut erhobenen Daten belegen, dass Ausbrüche in Deutschland auf eine zu hohe Zahl von nicht oder nicht vollständig geimpften Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zurückgeführt werden müssen. Besonders bei den 10- bis 20jährigen scheint, eine unzureichende Immunität vorzuliegen. Die endemischen Ausbrüche werden meist von eingeschleppten Fällen und von der fehlenden Immunität einzelner Bevölkerungsgruppen verursacht. Die Gründe für nicht erfolgte Impfungen sind vielfältig.
Nur 1% befragter Eltern lehnen eine Masern-Impfung grundsätzlich ab. Die immer noch nicht ausreichende Durchimpfungsrate aller Bevölkerungsgruppen lässt das für 2015 von der WHO angestrebte Ziel, die Masern weltweit zu eliminieren, zum jetzigen Zeitpunkt auch für Deutschland nicht erreichbar erscheinen. Nach Angaben der WHO sterben jeden Tag weltweit immer noch 330 Kinder an Masern. Wenn die Masern sich in Deutschland auch nicht mehr epidemisch ausbreiten können, so treten etwa alle 2-3 Jahre wegen fehlenden Impfschutzes immer noch endemische Herde auf.
Nur verstärkte Impfbemühungen werden uns dem Ziel der Masern-Eradikation näher bringen, wenn es denn überhaupt erreichbar ist. Wir wissen von Mumpsinfektionen trotz zweifacher Impfung, dass einzelne Genotypen nicht vom Impfstoff erfasst werden. Ob dies auch für Masern-Erkrankungen trotz zweifacher Impfung gilt, ist noch nicht bekannt aber denkbar.
RKI. Aktuelle Epidemiologie und Impfquoten – Wer erkrankt in Deutschland an Masern? Epid Bull 2. Dez 2013, Nr 48
Toxoplasma gondii, der Erreger der Toxoplasmose, gehört zu den Protozoen (Einzellern mit Zellkern im Gegensatz zu Bakterien) und tritt weltweit als einer der erfolgreichsten Parasiten auf. Trotz seines obligaten intra-zellulären Lebensstils weist der Erreger eine überraschend große Übertragbarkeit auf. Er hat die meisten Säugetiere und Vögel infiziert. Vor allem Katzen sind bei der Übertragung auf den Menschen häufig Zwischenwirte. Die Erreger können aber auch über die Nahrungskette, zum Beispiel über rohes Fleisch, rohe Milch und weitere mit Toxoplasmose-Erregern kontaminierte Nahrungsmittel weitergegeben werden.
Die über eine mütterliche Infektion erworbene, kongenitale (angeborene) Toxoplasmose (KT) kann zu schweren Erkrankungen unterschiedlicher Organsysteme, vor allem aber zu Schäden des Nervensystems und der Augen führen. Die meisten Kinder sind zum Zeitpunkt der Geburt asymptomatisch. Klinische Symptome können jederzeit auftreten. Besonders häufig wird die Makula des Auges, der Ort des schärfsten Sehens, im Verlauf einer Chorioretinitis (Entzündung der Aderhaut und der Netzhaut) befallen, was häufig zur Beeinträchtigung der Sehfähigkeit führt.
Die Erreger der Toxoplasmose persistieren als eingekapselte Zysten auch nach einer Behandlung im menschlichen Körper, wodurch wiederholte Erkrankungsschübe vor allem im Bereich der Augen ausgelöst werden können. Die Langzeit-Prognose der KT beruht bisher mehr auf Spekulation als auf belastbaren Studienergebnissen.
Eine internationale Forschergruppe hat jetzt den Verlauf der okulären Toxoplasmose über einen Median von 10,5 Jahren an 477 Kindern mit einer KT verfolgt. Bei 142 Patienten (29,8%) trat während der Beobachtungszeit eine okuläre Läsion auf. Bei 98 Patienten (69,0%) davon traten mehrere Läsionen nur auf einem Auge auf. Sie führten bei 80,6% aber nicht zum Sehverlust. Die meisten Augenläsionen wurden erst spät im medianen Alter von 3,1 Jahren beobachtet. Bei 48 Kindern (33,8%) traten 12 Jahre nach der Erstläsion neue okuläre Läsionen auf. Nach 22 Jahren wurde bei 30% der Patienten mit einer KT eine Chorioretinitis trotz prä- und postnataler Behandlung nachgewiesen.
Obwohl die Folgen einer pränatalen Toxoplasmose-Infektion meist nicht gravierend sind, besteht auch bei behandelten Kindern ein lebenslanges Rezidiv-Risiko. Vor allem eine regelmäßige augenärztliche Untersuchung scheint deshalb empfehlenswert zu sein.
LSullivan, WJ, Jr and V. Jeffers. Mechanisms of Toxoplasma gondii persistence and latency. FEMS Microbiol Rev 2012, 36(3): 717-733
Wallon, M et al. Ophthalmic Outcomes of Congenital Toxoplasmosis Followed Until Adolescence. Pediatrics 2014, 133: e601-608
Die infantile hypertrophe Pylorusstenose (IHPS) ist der häufigste Grund für einen operativen Eingriff in den ersten Lebensmonaten, typischerweise zwischen der 3. und 12. Lebenswoche. Die IHPS wird mit genetischen Faktoren, dem männlichen Geschlecht, der Familien-Vorgeschichte und Umgebungsfaktoren assoziiert. Makrolid-Antibiotika (MA) werden häufig bei der Behandlung sexuell übertragbarer Krankheiten eingesetzt. Säuglinge, die in den ersten Lebenswochen ein MA erhalten, weisen ein erhöhtes Risiko für IHPS auf.
Es ist ungeklärt, ob die Gabe von MA während der Schwangerschaft auch das kindliche IHPS-Risiko erhöht. Die Autoren haben in einem nationalen dänischen Register (1996-2011) nach einem möglichen Zusammenhang zwischen der Gabe von Makrolid-Antibiotika (MA) während der Schwangerschaft, der Gabe von MA an Säuglinge während der ersten 120 Tage und der Inzidenz der infantilen hypertrophen Pylorusstenose (IHPS) gesucht. Die Daten von 999.378 lebenden Einzelgeborenen wurden mit Informationen zu Makrolidverordnungen (Verordnungen während der Schwangerschaft, n=30.091; Verordnungen nach der Geburt, n=21.557; Verordnungen an Säuglinge bis 120 Tage post partum, n=6591) und den Operations-Informationen zur IHPS verbunden. Ergebnisziele waren die Erfassung von drei Gruppen, die MA erhalten hatten: Mütter während der Schwangerschaft, Mütter nach der Geburt und Säuglinge nach der Geburt.
Insgesamt entwickelten 880 Säuglinge eine IHPS (0,9 Fälle auf 1000 Geburten). Im Vergleich zu Kindern, die keine Makrolid-Antibiotika-Exposition hatten, betrug die Odds Ratio (der Wahrscheinlichkeitsquotient) für eine IHPS bei Kindern mit Makrolid-Exposition in den 13 Tagen nach der Geburt 29,8 (95% KI 16,4-54,1) und in den Tagen 14-120 post partum 3,24 (95% KI 1,20-8,74). Die entsprechenden absoluten Risiko-Unterschiede betrugen jeweils 24,4 und 0,65 Fälle auf 1000 Säuglinge. Die entsprechende Odds Ratio für die mütterliche Makrolid-Exposition von den Tagen 0-13 post partum betrug 3,49 (95% KI 1,92-6,34) und für die Tage 14-120 post partum 0,70 (95% KI 0,26-1,9).
Die absoluten Risiko-Unterschiede betrugen 2,15 und -0,11. Die Odds Ratio für die mütterliche Makrolid-Exposition während der Schwangerschaft für die Wochen 0-27 betrug 1,02 (95% KI 0,65-1,59), für die 28. Woche bis zur Geburt 1,77 (95% KI 0,95-3,31) bei absoluten Risiko-Differenzen von 0,01 (95% KI -0,31-0,50) und 0,67 (95% KI -0,06-2,02).
Die Behandlung junger Säuglinge mit MA war in hohem Maße mit dem Auftreten einer IHPS assoziiert. Auch bei der mütterlichen MA-Exposition in den ersten Wochen nach der Geburt konnte eine Verbindung zur IHPS nachgewiesen werden. Damit werden ältere Beobachtungen bestätigt.
Ein Zusammenhang zwischen der MA-Gabe gegen Ende der Schwangerschaft und einer IHPS ist möglich, wenn dies auch mit den vorliegenden Daten nicht gesichert werden kann. Ob eine absolute Risiko-Zunahme von 24,4 Fällen bei einer Gabe von MA in den ersten beiden Lebenswochen eine Kontraindikation darstellt, dürfte von den zu behandelnden Erkrankungen abhängen. So sind zum Beispiel Azithromycin und Clarithromycin die einzigen, von der UK Health Protection Agency und der amerikanischen Centers for Disease Control zur Prävention und Therapie bei Keuchhusten empfohlenen Substanzen.
Lund, M et al. Use of macrolides in mother and child and risk of infantile hypertrophic pyloric stenosis: nationwide cohort study. BMJ 2014; 348: g1908
Morrison, W. Infantile hypertrophic pyloric stenosis in infants treated with azithromycin. Pediatr Infect Dis J 2007 Feb; 26(2): 186-8
Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Hypertrophic pyloric stenosis in infants following pertussis prophylaxis with erythromycin - Knoxville, Tennessee, 1999. MMWR Morb Mortality Wkly Rep 1999 Dec; 48(49): 1117-20
Seit der Einführung der in vitro Fertilisation (IVF) hat die Anzahl der Kinder, die durch eine assistierte Befruchtung gezeugt wurden, jährlich zugenommen. Bisher dürften weltweit etwa 5 Millionen Menschen dieser Technik ihre Entstehung verdanken. Bekannte Folgen der IVF sind bei einem insgesamt nur leicht erhöhten Risiko eine höhere Frühgeburts-Rate (vor allem bei Mehrlingsgeburten), ein niedriges Geburtsgewicht und kongenitale Fehlbildungen. Von einigen Autoren wird auch ein höheres Krebs-Risiko diskutiert. Diese Sorgen werden durch die Entdeckung veränderter epigenetischer Prägungen in humanen Embryonen, im Nabelschnurblut und in den Plazenten unterstützt.
Jetzt haben britische Autoren dieses Risiko an einer großen Kohorte von Kindern (n=106.013), die zwischen 1992 und 2008 nach IVF geboren wurden, untersucht. Die mittlere Beobachtungszeit betrug 6,6 Jahre. In diesem Zeitraum traten 108 Krebs-Erkrankungen auf, im Vergleich zu 109,7 statistisch erwarteten Krebs-Erkrankungen (Inzidenz-Rate 0,98, 95% Konfidenzintervall (KI) 0,81-1,19, p=0,87). Nach IVF konnte keine erhöhte Inzidenz-Rate für Leukosen, Neuroblastome, Retinoblastome, Tumore des Zentralnervensystems, renale Tumore und Keimzelltumore nachgewiesen werden. Für Hepatoblastome zeigte sich nach IVF eine Erhöhung des Krebs-Risikos auf etwa das dreieinhalbfache (Inzidenz-Rate 3,64, 95% KI 1,34-7,93, p=0,02) mit einem absoluten Risiko von 6,21 zusätzlichen Fällen auf 1 Million Personenjahre.
Das erhöhte Hepatoblastom-Risiko war mit niedrigem Geburtsgewicht assoziiert. Auch das Rhabdomyosarkom-Risiko war nach IVF erhöht (Inzidenz-Rate 2,62, 95% KI 1,26-4,82, p=0,02) mit einem absoluten Risiko von 8,82 zusätzlichen Fällen auf 1 Million Personenjahre. Über die gesamte Studienzeit von 17 Jahren fand sich aber bei britischen Kindern nach IVF keine Erhöhung des Gesamtrisikos für eine Krebserkrankung. Wenn auch ein erhöhtes relatives Risiko für Hepatoblastome und Rhabdomyosarkome nachgewiesen werden konnte, so ist das absolute Risiko für eine Erkrankung minimal, wenn es denn existiert.
Eine noch längere Begleitung ist erforderlich, um das nicht ganz auszuschließende erhöhte karzinogene Lebensrisiko nach IVF entweder auszuschließen oder zu bestätigen. Die bisherigen beruhigenden Ergebnisse sollten allerdings Paaren mit Kinderwunsch kommuniziert werden.
William, CL et al. Cancer risk among children born after assisted conception. N Engl J Med 2013 Nov 7, 369: 1819
Manche Eltern fürchten, dass ihre Kinder vor allem im Säuglingsalter zu viele Impfungen erhalten und dass diese sich negativ auf die kindliche Entwicklung auswirken. Tun sie das? Zur Beantwortung dieser Frage werteten die Autoren der amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) Krankenkassen-Daten im Hinblick auf einen Zusammenhang zwischen den im frühen Kindesalter verabreichten Antikörper-induzierenden Proteinen und Polysacchariden und der neuro-psychologischen Entwicklung im Alter zwischen 7-10 Jahren aus.
Nach Impfungen im frühen Kindesalter wurden die 7-10-Jährigen unter folgenden Gesichtspunkten standardisiert getestet: Allgemeine intellektuelle Funktionen, Sprech-und Sprachentwicklung, verbales Gedächtnis, Aufmerksamkeitssteuerung, Handlungsfähigkeit, Tics, erreichte Leistungsfähigkeit, räumliche Wahrnehmung und Verhaltenssteuerung. Im Durchschnitt erhielten die Kinder (n=1047) im Alter von 7, 12 und 24 Monaten 7266, 8127 und 10341 Antigene.
Zwischen der Anzahl der verimpften Antigene und der späteren neuro-psychologischen Entwicklung konnte kein Zusammenhang hergestellt werden. Zu einem vergleichbaren Ergebnis sind andere Autoren in früheren Studien gekommen, die nicht die Verbindung zwischen Antigenen und neuro-psychologischer Entwicklung, sondern ganz allgemein den Zusammenhang zwischen den empfohlenen frühkindlichen Impfungen und der neuro-psychologischen Entwicklung untersucht haben. Damit dürften (über)besorgten Eltern versichert werden, dass die geltenden Impfempfehlungen keinen negativen Einfluss auf die kindliche Entwicklung ausüben.
Iqbal, S et al. Number of antigens in early childhood vaccines and neuropsychological outcomes at age 7-10 years. Pharmacoepidemiol Drug Saf 2013 Jul 12 (Epub ahead of print)
Smith, MJ, Wood, CR. On-time Vaccine Receipt in the First Year Does Not Adversely Affect Neuropsychological Outcomes. Pediatrics 2010, 125: 1134.
Die Bildschirmzeit nimmt einen wichtigen Platz im Tagesverlauf amerikanischer Kinder und Jugendlicher im Alter zwischen 8 bis 18 Jahren ein. Amerikanische Kinder und Jugendliche sind >7 Stunden pro Tag dem Fernsehen, digitalen Medien (DVDs, Video-Spielen und Computern) ausgesetzt. Die exzessive Bildschirmzeit ist mit einer Gewichtszunahme bis hin zur Adipositas verbunden, was bereits in mehreren Studien dokumentiert werden konnte. Die Autoren haben jetzt erstmals die unterschiedliche Bedeutung der einzelnen Medien und die gesamte Bildschirmzeit für die Gewichtszunahme von Kindern und Jugendlichen (n=7792) untersucht.
Sie fanden, dass Fernsehen, ein beständiger Ort für Nahrungsmittelreklamen, am häufigsten mit einer Gewichtszunahme verbunden war. Bei Mädchen zeigte sich auch noch eine Verbindung zu elektronischen Spielen, DVDs und Videos, was auch mit Nahrungsmittel-Werbung verbunden sein kann. Die Verbindung zwischen Bildschirmzeit und Änderung des BMI (Body-Mass-Index) war auch unabhängig von der körperlichen Aktivität, was als Hinweis darauf gelten könnte, dass die Bildschirmzeit auch das Essverhalten beeinflusst.
Dabei könnte nicht nur die Nahrungsmittel-Reklame, sondern auch das während der Bildschirmzeit gedankenlose, vermehrte Essen die Gewichtszunahme verursachen. Die Autoren empfehlen eine allgemeine Reduktion der Bildschirmzeit für alle Medien bei übergewichtigen Kindern und Jugendlichen. Diese Ergebnisse decken sich mit denen weiterer Studien. Die an Bildschirmen verbrachte Zeit dürfte auch nicht unwesentlich die schulische Laufbahn von Kindern beeinflussen.
Falbe, J et al. Adiposity and Different Types of Screen Time. Pediatrics 2013 Dec; 132(6): e1497-505
In einem aktuellen Up-Date zur Risikobeurteilung der Krebserkrankungen bei Frauen empfiehlt die U.S. Preventive Services Task Force (USPSTF) die genetische Testung asymptomatischer Frauen auf Brustkrebs-Gene (BRCA-Gene), wenn eine Familienvorgeschichte mit Krebserkrankungen oder eine Brustkrebs-Gen-Mutation bekannt ist.
Die USPSTF empfiehlt daher Hausärzten, alle Frauen auf das Vorliegen einer BRCA1- oder BRCA2-Mutation zu untersuchen, wenn Familienmitglieder an einem Brust-, Ovarial-, Eileiter- oder Peritoneal-Krebs erkrankt sind oder waren. Eine routinemäßige Testung auf BRCA-Gene bei fehlenden Hinweisen aus der Familienvorgeschichte sollte nicht durchgeführt werden.
Moyer, VA. Risk Assessment, Genetic Counseling, and Genetic Testing for BRCA-Related Cancer in Women: U.S. Preventive Services Task Force Recommendation Statement. Ann Intern Med 2013 Dec 24 (epub ahead of print)
Brustkrebs gehört zu den häufigsten, bei Frauen auftretenden Krebserkrankungen. Durch eine frühe Diagnose, so die Vorstellung, kann das Leben vieler betroffener Frauen gerettet werden. Das US-amerikanische National Cancer Institute schätzt das Lebenszeit-Brustkrebs-Risiko bei Frauen auf 12%, wobei das Risiko mit dem Alter steigt. Epidemiologische Studien in Norwegen und Großbritannien haben gezeigt, dass der Rückgang des Brustkrebs-Sterblichkeit als Folge des Mammographie-Screenings (MS) unerwartet gering ist und die abnehmende Mortalität sich eher auf verbesserte Behandlungsmethoden zurückführen lässt.
Der direkte Nutzen des MS betrug in einer britischen Studie nur 6,4% (Breite der Schätzung 5,4-11,8%). Die Auswirkung aller anderen Faktoren (verbesserte Behandlungsmethoden) übertrifft mit 14,9% (Breite der Schätzung 12,2-14,9%) den Einfluss des MS. Der Nutzen des MS scheint also geringer, und der durch Überdiagnose angerichtete Schaden, größer als angenommen zu sein. Die U.S. Preventive Services Task Force (USPSTF) empfiehlt bei Frauen im Alter zwischen 50-74 Jahren (Evidenz-Grad B) alle zwei Jahre eine Mammographie durchzuführen, wobei die Frauen sich beraten lassen und jeweils für sich Nutzen und Risiko des MS abwägen sollten. Für Frauen zwischen 40 und 49 Jahren sollte die Entscheidung zum MS individuell getroffen werden (Empfehlung mit Evidenz-Grad C). Für Frauen über 74 Jahre liegt keine hinreichende Evidenz für eine Empfehlung vor.
Trotz der intensiv und kontrovers geführten Diskussion zum wahrscheinlichen Nutzen des MS (frühe Tumorerkennung) und möglichen Schaden (falsch positiver Befund und unnötige Behandlung) empfehlen heute die meisten Experten, das Mammographie-Screening (MS) weiter alle zwei Jahre durchführen zu lassen. Die Frauen sollten aber in die Entscheidung, ob sie eine Mammographie durchführen lassen wollen, einbezogen und ihr individuelles Risiko berücksichtigt werden.
Zwei Autoren haben jetzt versucht, die herrschenden Meinungen und vorhandenen Daten zu bündeln. Sie schätzten die absolute Häufigkeit von drei Ergebnis-Szenarien als Entscheidungshilfe für oder gegen eine Mammographie: Tod durch Brustkrebs, falscher Alarm und Überdiagnose. Im Ergebnis zeigte sich, dass bei 1000 amerikanischen Frauen im Alter von 50 Jahren, bei denen über 10 Jahre jährlich eine Mammographie durchgeführt worden war, bei 0,3 bis 3,2 Frauen der Tod an Brustkrebs vermieden wurde, bei 490 bis 670 Frauen gab es wenigstens einen Fehlalarm, bei 3 bis 14 Frauen wurde wegen eines fälschlich als positiv angesehenen Befundes eine unnötige Behandlung durchgeführt. Diese Ergebnisse können nicht befriedigen.
Möglicherweise wird es in Zukunft durch eine genetische Analyse des Tumorgewebes gelingen, dessen Malignität besser einzuschätzen. Bis es soweit ist empfehlen die Experten, Frauen über die Vor- und Nachteile des MS aufzuklären und die Entscheidung jeweils in Abhängigkeit von Alter und der Familienanamnese im Hinblick auf das individuelle Risiko zu treffen.
Blanks, RG et al. Effecht of NHS breast screening programme on mortality from breast cancer in England and Wales, 1990-8: comparison of observed with predicted mortality. BMJ 2000 Sept 16; 321 (7262): 665-669
Kalager, M et al. Effect of screening mammography on breast-cancer mortality in Norway. N Engl J Med 2010 Sept 23, 363(13):1203-10
Nelson, HD et al. Screening for Breast Cancer: U.S. Preventive Services Task Force Recommendation Statement. Ann Intern Med 2009 Nov 17, 151(10): 716-26
Welch, HG, Passow, HJ. Quantifying the Benefits and Harms of Screening Mammography. JAMA Intern Med 2013 Dec 30 (epub ahead of print)
Stillen mag einer der Faktoren sein, der zur Abschwächung der weltweiten Adipositas-Epidemie beitragen könnte. Die WHO und die meisten
kinderärztlichen Fachgesellschaften stimmen darin überein, dass Säuglinge in den ersten sechs Lebensmonaten nichts anderes als Muttermilch
benötigen. Diese Empfehlungen beruhen auf einer Vielzahl von Studien, die zeigen, dass Stillen das Adipositas-Risiko um 15%-20% im Vergleich zu Säuglingen,
die mit Formula-Milch ernährt werden, reduziert.
In mehreren observationalen Studien war Stillen invers mit der Entwicklung einer Adipositas assoziiert.
Andere Studien stellen diesen Zusammenhang allerdings in Frage. Wegen der nicht überzeugenden Evidenz und der bisherigen, sich auf westliche Staaten
beschränkenden Ergebnisse, haben japanische Autoren diese Frage an einer Kohorte von 43367 Neugeborenen untersucht, die bis zum Alter von 7 und 8 Jahren
begleitet wurden. Sie konnten bestätigen, dass die Brustfütterung auch bei japanischen Kindern mit einem geringeren Übergewichts-Risiko (15%) und
Adipositas-Risiko (45%) verbunden ist.
Mütter sollten deshalb zum Stillen angeregt werden.
Yamakawa, M et al. Breastfeeding and Obesity Among Schoolchildren. A Nationwide Longitudinal Survey in Japan. JAMA Pediatr.
2013 Aug 12, epub ahead of print.
Mäßiger Alkoholgenuss wird mit einem leicht erhöhten Brustkrebsrisiko verbunden. Frauen, die wegen Brustkrebs behandelt wurden, mögen ihren Arzt fragen, ob
sie weiter Alkohol trinken dürfen. Zur Beantwortung dieser Frage wurden die Überlebensraten von 23.000 Frauen mit Brustkrebs, der im Alter zwischen
20-79 Jahren diagnostiziert wurde, ausgewertet.
Von allen Frauen wurde der Alkoholkonsum vor der Krebsdiagnose und von 4881 Frauen nach der
Krebsdiagnose ermittelt. Bei einem mäßigen Alkoholkonsum (3-6 alkoholische Getränke pro Woche) vor der Krebsdiagnose war die Krebsmortalität 15% niedriger
als für Nichttrinkerinnen.
Die kardiovaskuläre Mortalität war bei mäßigen Trinkerinnen um 25% und die Mortalität aus allen anderen Gründen um 20% niedriger als bei Nicht-Trinkerinnen.
Der mäßige Alkoholgenuss nach der Brustkrebsdiagnose war nicht mit einer erhöhten Brustkrebsmortalität, aber mit einer niedrigeren kardiovaskulären Mortalität
und einer niedrigeren Mortalität aus allen anderen Gründen verbunden.
Newcomb et al. Alcohol Consumption Before and After Breast Cancer Diagnosis: Associations With Survival From Breast Cancer,
Cardiovascular Disease, and Other Causes. J Clin Oncol 2013; 8 April epub ahead of print
Ein Vitamin D-Mangel, allgemein als ein 25(OH)Vitamin D-Serumspiegel unter 20ng/ml definiert, belastet nicht nur die Schwangerschaft, sondern auch das sich
entwickelnde Kind. Beobachtungen lassen bei einem Vitamin D-Mangel auf ein erhöhtes Diabetes- und Prä-Eklampsie-Risiko der Schwangeren und eine Wachstumsstörung
des Kindes schließen.
In höheren Breitengraden und hier besonders bei Vegetariern, verhüllten und farbigen Bevölkerungsgruppen tritt der Vitamin D-Mangel
besonders häufig auf. Aghajafari et al. haben aktuell die vorhandene Literatur und den Einfluss des Vitamin D-Mangels auf die Schwangerschaft und die Entwicklung
des Kindes untersucht.
Die Autoren konnten eine Vielzahl einzelner Beobachtungen bestätigen und fanden, dass der Vitamin D-Mangel mit einem
erhöhten Schwangerschafts-Diabetes-Risiko, einem erhöhten bakteriellen Vaginose-Risiko, einer Prä-Eklampsie und einer Mangelgeburtlichkeit des Kindes
assoziiert ist. Wenn auch aus diesen Untersuchungen nicht mit Sicherheit auf einen kausalen Zusammenhang geschlossen werden kann, so darf man auf Grund der
allgemeinen Kenntnis über Vitamin D vorsichtig unterstellen, dass ein Vitamin D-Mangel besonders in der Schwangerschaft für Mutter und Kind nicht förderlich sein kann.
Es gibt bisher keinen Konsensus zum optimalen Vitamin D-Spiegel in der Schwangerschaft. Die amerikanische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe schätzt
für Frauen mit einem Mangel die ergänzende Vitamin D-Gabe zwischen 1000 IU bis 2000 IU als sicher ein.
Aghajafari, F et al. Association between maternal serum 25-hydroxyvitamin D level and pregnancy and neonatal outcomes:
systematic review and meta-analysis of observational studies. BMJ 2013; 346: f1169.
Ondansetron wird in der Schwangerschaft häufig gegen Übelkeit und Erbrechen eingenommen. Dänische Autoren haben jetzt die möglichen Auswirkungen auf die
kindliche Entwicklung an einer Kohorte von 608.385 Schwangeren untersucht, die Ondansetron eingenommen und solchen, die kein Ondansetron eingenommen und
einen Abort, eine Tot-, Früh- oder eine Mangelgeburt hatten.
Die Schwangeren, die Ondansetron eingenommen hatten, unterschieden sich nicht von Schwangeren,
die kein Ondansetron eingenommen hatten, auch nicht im Ergebnis der Schwangerschaft. Kindliche Missbildungen wurden unter Schwangerschaften mit Ondansetron
nicht häufiger beobachtet als unter Schwangerschaften ohne Ondansetron.
Pasternak et al. Ondansetron in pregnancy and risk of adverse fetal outcomes. N Engl J Med 2013 28 Feb; 368(9): 814-23.
Süße Getränke sind nach Ansicht der American Heart Association mit weltweit mehr als 180.000 Todesfällen, in den USA alleine mit 25.000 Todesfällen, verbunden. Unter Verwendung von Daten aus der "Global Burden of Disease Study" schätzten die Untersucher, dass Limonaden und Sport-Getränke im Jahr 2010 etwa 133.000
Diabetes-Todesfälle, 44.000-Herz-Todesfälle und 6.000 Krebs-Todesfälle verursacht haben.
Süße Getränke werden weltweit konsumiert und tragen in hohem Maße zur Adipositas und dem damit verbundenen Diabetes- und kardiovaskulären Risiko bei. Japan, das Land
mit dem geringsten Konsum gesüßter Getränke in der Welt, weist die geringste mit dem Zuckerkonsum assoziierte Mortalitätsrate auf.
Süße Getränke sind nach Ansicht der American Heart Association mit weltweit mehr als 180.000 Todesfällen, in den USA alleine mit 25.000 Todesfällen, verbunden. Unter Verwendung von Daten aus der "Global Burden of Disease Study" schätzten die Untersucher, dass Limonaden und Sport-Getränke im Jahr 2010 etwa 133.000
Diabetes-Todesfälle, 44.000-Herz-Todesfälle und 6.000 Krebs-Todesfälle verursacht haben.
Süße Getränke werden weltweit konsumiert und tragen in hohem Maße zur Adipositas und dem damit verbundenen Diabetes- und kardiovaskulären Risiko bei. Japan, das Land
mit dem geringsten Konsum gesüßter Getränke in der Welt, weist die geringste mit dem Zuckerkonsum assoziierte Mortalitätsrate auf.
Das Milchfett ist eine Quelle östrogener Hormone. In einer observationalen Studie haben die Autoren erstmals den Einfluss fettarmer und fetthaltiger Milch auf die MortalitätBezeichnet die Anzahl der Todesfälle, bezogen auf die Gesamtanzahl. von an Brustkrebs erkrankten Frauen untersucht. Es zeigte sich, dass der Konsum fetthaltiger Milchprodukte das Überlebensrisiko der erkrankten Frauen negativ beeinflusst. Sie wiesen eine höhere allgemeine Mortalität, eine höhere Nicht-Brustkrebs- und Brustkrebs-Mortalität auf als die Frauen, die Milchprodukte mit einem niedrigen Fettgehalt zu sich nahmen. An Brustkrebs erkrankte Frauen können weiter Milchprodukte zu sich nehmen, aber sollten Produkte mit einem hohen Fettgehalt meiden
Koenke, CH et al.. High- and Low-Fat Dairy Intake, Recurrence, and Mortality After Breast Cancer Diagnosis. J Natl Cancer Inst, online
March 14, 2013
Bei etwa 35% der Menschen, die älter als 50 Jahre sind, kann ein Riss im Meniskus nachgewiesen werden, wobei etwa zwei Drittel der Betroffenen keine klinischen
Symptome zeigen. Ob bei auftretenden Beschwerden chirurgisch eine partielle Meniskektomie oder eine konservative Therapie durchgeführt werden soll, wird immer
noch kontrovers diskutiert. Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse einer amerikanischen Multi-Center-Studie zeigen, dass auch die konservative Therapie eine
vernünftige Alternative sein kann.
Bei der Auswertung konnte nach 6 Monaten kein Unterschied in der Funktion zwischen der konservativ oder chirurgisch
behandelten Gruppe nachgewiesen werden. Damit bestätigen sich ältere Studien, die im Vergleich mit Pseudo-Operationen (Sham Operationen) ebenfalls gezeigt haben,
dass die operative Therapie nicht besser als die konservative Therapie ist. Die Studie von Katz zeigt, dass es an der Zeit ist, die routinemäßige arthroskopische
Behandlung von Meniskusschäden zu überdenken und neu zu definieren.
Katz, JN. Surgery verus Physical Therapy for a Meniscal Tear and Osteoarthritis. N Engl J Med online March 19, 20013
Adipöse Jugendliche weisen ein höheres Risiko für einen niedrigen Vitamin D-Spiegel auf. Niedrige Vitamin D-Spiegel sind mit einem gestörten Glucose-Stoffwechsel, einem metabolischen Syndrom und einem höheren Risiko für einen Typ II-Diabetes verbunden. Belenchia et al. haben in einer randomisierten Studie erstmals den Einfluss von Vitamin D auf die Normalisierung des Stoffwechsels untersucht und haben der Interventionsgruppe über 6 Monate 4.000 IU Vitamin D3 verordnet. Nach 6 Monaten sanken der Nüchtern-Insulinspiegel und das Leptin-Adiponectin-Verhältnis, zwei Marker für die Insulinresistenz, signifikant im Vergleich zur Plazebo-Gruppe ab. Möglicherweise wird Vitamin D zukünftig eine größere Rolle bei der Behandlung der Insulin-Resistenz und der Adipositas spielen.
Belenchia, AM et al.. Correcting Vitamin D insufficiency improves insulin sensitivity in obese adolescents: A randomized controlled trial.
Am J Clin Nutr, online Feb 2013